Das Flüstern der Nacht
nehmen?«
Jardir schwieg.
»Egal, ob er seinen Bido behält oder zum Krieger erhoben wird, ich glaube, dass er auch morgen noch ein Knabe sein wird!«, grölte ein anderer Krieger namens Manik. »Er ist zu jung, um zu wissen, wozu die Kissentänzerinnen wirklich taugen!«
Jardir öffnete den Mund, um ihn gleich wieder zuzuklappen. Sie provozierten ihn mit Absicht. Was immer er im Labyrinth geleistet haben mochte, er blieb solange ein nie’Sharum , bis die dama’ting seinen Tod vorhergesehen hatte. Jeder dieser Krieger durfte ihn wegen der geringsten Frechheit töten.
Zu seiner Überraschung stärkte Hasik ihm den Rücken.
»Lasst die Ratte in Frieden«, verlangte er. »Er ist mein ajin’pal . Wenn ihr ihn ärgert, ärgert ihr mich.«
Manik plusterte sich bei dieser Zurechtweisung auf, aber Hasik war jung und stark. Eine Weile starrten sie einander an, dann spuckte Manik aus.
»Bah!«, knurrte er. »Es lohnt sich nicht, dir den Bauch aufzuschlitzen, nur um einen Knaben aufziehen zu können.« Er drehte sich um und stapfte davon.
»Danke«, sagte Jardir.
»Keine Ursache«, erwiderte Hasik und legte eine Hand auf seine Schulter. »Es ist die Pflicht eines ajin’pal , sich um seinen Schützling zu kümmern, und du wärst nicht der erste Junge, der die Kissentänzerinnen mehr fürchtet als die alagai . Die dama’ting unterweisen die Jiwah’Sharum in der Kunst des Liebens, aber die Exerziermeister geben in den sharaji nicht solchen Unterricht.«
Jardir fühlte, wie eine heiße Röte sein Gesicht überzog, und er fragte sich, was ihn auf den Kissen hinter den Vorhängen erwartete, wenn die Schleier gelüftet wurden.
»Keine Angst«, beruhigte Hasik ihn und klopfte ihm auf die Schulter. »Ich bringe dir bei, was du tun musst, damit eine Frau vor Lust schreit.«
Sie leerten die Flasche, und ein hinterhältiges Lächeln huschte über Hasiks Gesicht. »Komm mit, Ratte. Ich weiß, womit wir uns in der Zwischenzeit vergnügen können.«
»Wohin gehen wir?«, erkundigte sich Jardir, während er Hasik hinterherstolperte, der ihn durch das Labyrinth lotste. Vom Couzi war ihm schwindelig, und seinen Armen und Beinen fehlte die Kraft. Die Wände schienen sich von selbst zu bewegen.
Breit lächelnd drehte sich Hasik um. Die Lücke in seinem Gebiss, die entstanden war, als Qeran ihm an Jardirs erstem Abend im Kaji’sharaj einen Zahn ausgeschlagen hatte, sah im Mondschein aus wie ein klaffendes schwarzes Loch.
»Wohin wir gehen, willst du wissen?«, fragte Hasik. »Nun, wir sind schon da.«
Verwirrt sah Jardir sich um, und in diesem Moment explodierten bunte Lichter vor seinen Augen, als Hasik ihm einen Fausthieb ins Gesicht verpasste.
Ehe er auch nur daran denken konnte, sich zu wehren, stürzte sich Hasik auf ihn und drückte ihn mit dem Gesicht nach unten in den Staub. »Ich wollte dir doch beibringen, was man tun muss, damit eine Frau vor Lust schreit«, höhnte er. »Bei diesem Unterricht übernimmst du die Rolle der Frau.«
»Nein!«, kreischte Jardir und versuchte sich loszureißen, aber Hasik knallte sein Gesicht mit solcher Wucht auf den Boden, dass seine Ohren klingelten. Der massige Krieger drehte Jardir einen Arm auf den Rücken, und während er den Jungen mit einer Hand festhielt, zog er mit der anderen Jardirs Bido herunter.
»Sieht so aus, als würdest du in dieser Nacht zweimal deinen Bido loswerden, Ratte!«, lachte er.
Jardir schmeckte Blut und Dreck im Mund. Er versuchte, sich den Schmerzen zu öffnen, aber zum ersten Mal gelang es ihm nicht, und seine Schreie gellten durch das Labyrinth.
Als die dama’ting ihn fand, weinte er immer noch.
Sie schwebte wie ein Geist, und als sie herankam, wirbelten ihre weißen Gewänder leicht den Staub auf. Jardir hörte auf zu schluchzen und starrte sie an. Abrupt wurde er in die Realität zurückgerissen und tastete hastig nach seinem Bido, um ihn wieder hochzuziehen. Vor lauter Scham verbarg er sein Gesicht.
Die dama’ting schnalzte mit der Zunge. »Steh auf, Junge!«, befahl sie. »Gegen die alagai kämpfst du wie ein Mann, aber wegen so etwas flennst du wie eine Frau? Everam braucht dal’Sharum , keine khaffit !«
Jardir wünschte sich, die Wände des Labyrinths würden einstürzen und ihn unter sich begraben, aber dem Befehl einer dama’ting widersetzte man sich nicht. Er rappelte sich auf die Füße, wischte sich die Tränen ab und schneuzte seine Nase.
»Das ist schon besser«, meinte die dama’ting , »auch wenn es ein bisschen spät
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