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Das Flüstern der Nacht

Das Flüstern der Nacht

Titel: Das Flüstern der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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das, was sie gesehen hatte.
    Vielleicht war es auch beides. Was hatten die Würfel ihr verraten? Siedendheiß fiel ihm ein, dass er Abban erlaubt hatte, Keramiken aus Baha kad’Everam zu stehlen, und er fragte sich, ob ihr auch diese Sünde offenbart wurde.
    Die dama’ting sammelte die Knöchelchen wieder ein und steckte sie in den Beutel, ehe sie sich erhob. Danach verstaute sie den Beutel und schüttelte den Staub von ihren Gewändern.
    »Kehre in den Kaji-Pavillon zurück und verbringe den Rest der Nacht im Gebet«, ordnete sie an und verschwand so schnell in den Schatten, dass Jardir sich fragte, ob sie überhaupt da gewesen war.

    Qeran weckte ihn mit Fußtritten, während die anderen Krieger um ihn herum noch schliefen. »Aufstehen, Ratte!«, schnauzte der Exerziermeister. »Der dama hat nach dir geschickt.«

    »Darf ich jetzt den Bido ablegen und werde zum Krieger ernannt?«, erkundigte sich Jardir eifrig.
    »Die Männer sagen, in der Nacht hättest du gut gekämpft«, knurrte Qeran, »aber die Entscheidung liegt nicht bei mir. Nur ein dama darf einem nie’Sharum die schwarze Kleidung geben.«
    Der Exerziermeister begleitete ihn in die inneren Kammern des Sharik Hora . Der kühle Steinboden fühlte sich unter Jardirs bloßen Füßen an wie geweihter Boden.
    »Exerziermeister, darf ich dich etwas fragen?«, begann Jardir.
    »Vielleicht ist das die letzte Frage, die ich dir als dein Ausbilder beantworte«, erwiderte Qeran. »Also streng dich an.«
    »Als die dama’ting zu dir kam, wie oft hat sie da die Würfel geworfen?«
    Der Exerziermeister warf ihm einen verdutzten Blick zu. »Einmal. Sie werfen die Würfel immer nur ein einziges Mal. Die Würfel lügen nie.«
    Jardir wollte noch mehr sagen, aber sie bogen um eine Ecke, und dort wartete dama Khevat auf ihn. Khevat war der strengste von Jardirs Mentoren, er hatte ihn den Sohn von Kamelpisse genannt und ihn wegen seiner Aufsässigkeit in die Jauchegrube werfen lassen.
    Qeran legte eine Hand auf Jardirs Schulter. »Hüte deine Zunge, wenn du sie behalten willst«, raunte er ihm zu.
    »Everam sei mit euch«, grüßte Khevat. Der Exerziermeister verbeugte sich, und Jardir tat es ihm gleich. Der dama nickte knapp, und Qeran machte auf dem Absatz kehrt, um sich zu entfernen.
    Khevat führte Jardir in einen kleinen, fensterlosen Raum, der vollgestopft war mit Papieren, und in dem es durchdringend nach Tinte und Lampenöl roch. Dieser Ort schien einem khaffit oder einer Frau angemessener zu sein, doch selbst hier bestand die Einrichtung aus Menschenknochen. Sie bildeten den Hocker, auf den Jardir sich setzen sollte, und den Tisch, hinter dem Khevat Platz
nahm. Sogar die Papiere wurden mit menschlichen Schädeln beschwert.
    »Du überraschst mich immer wieder, Sohn des Hoshkamin«, eröffnete Khevat das Gespräch. »Ich habe dir nicht geglaubt, als du sagtest, du würdest genug Ruhm sowohl für dich als auch für deinen Vater erringen, aber du scheinst fest entschlossen zu sein, mich eines Besseren zu belehren.«
    Jardir zuckte die Achseln. »Ich habe nur das getan, was jeder Krieger tun würde.«
    Khevat gluckste in sich hinein. »Die Krieger, die ich bis jetzt kennengelernt habe, sind nicht so bescheiden. Einen alagai hast du ganz allein zur Strecke gebracht, und du hast mitgeholfen, fünf weitere zu töten. Und das mit wie viel Jahren? Dreizehn?«
    »Zwölf.«
    »Zwölf«, wiederholte Khevat. »Obendrein hast du letzte Nacht Moshkama geholfen zu sterben. Nur wenige nie’Sharum würden dazu den Mut aufbringen.«
    »Seine Zeit war gekommen«, erwiderte Jardir.
    »In der Tat«, pflichtete Khevat ihm bei. »Moshkama hatte keine Söhne. Als sein Bruder im Tode steht es nun dir zu, seine Knochen für den Sharik Hora zu bleichen.«
    Jardir verneigte sich. »Es wird mir eine Ehre sein.«
    »Gestern Nacht kam deine dama’ting zu mir«, fuhr Khevat fort.
    Gespannt hob Jardir den Kopf. »Darf ich jetzt den Bido ablegen?«
    Khevat schüttelte den Kopf. »Sie sagt, du seist noch zu jung. Wenn man dich jetzt schon ohne weiteres Training und ohne dir Zeit zu geben, dich körperlich zu entwickeln, in den alagai’sharak schickte, würden die Kaji nur einen Krieger verlieren.«
    »Ich habe keine Angst vor dem Tod«, erklärte Jardir, »wenn es Everams Wille ist.«
    »So spricht ein wahrer Sharum «, lobte Khevat, »aber ganz so einfach ist das nicht. Sie hat bestimmt, dass du das Labyrinth erst wieder betreten darfst, wenn du älter bist.«

    Jardir setzte eine finstere

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