Das Flüstern der Nacht
Miene auf. »Dann muss ich also in Schande in den Kaji’sharaj zurück, nachdem ich bereits meinen Mann gestanden habe?«, fragte er.
Der dama schüttelte den Kopf.
»Für diesen Fall sieht das Gesetz eine klare Regelung vor. Kein Junge, der einmal den Sharum -Pavillon betreten hat, darf in den sharaj zurückkehren.«
»Aber wenn das nicht geht, und ich auch nicht in die Gemeinschaft der Männer aufgenommen werde …«, setzte Jardir an, und plötzlich begriff er, in welchem Dilemma er steckte.
»Ich … werde ein khaffit ?«, hauchte er, zum ersten Mal in seinem Leben von schierer Angst überwältigt. Verglichen damit war seine Furcht vor den dama’ting nichts. Er spürte, wie ihm das Blut aus dem Gesicht wich, als er sich an den Anblick erinnerte, wie Abban um sein Leben bettelte.
Eher sterbe ich, schoss es ihm durch den Sinn. Ich greife den erstbesten dal’Sharum an, der mir über den Weg läuft, und lasse ihm gar keine andere Wahl, als mich zu töten. Lieber tot als ein khaffit .
»Nein«, entgegnete der dama , und Jardirs Herz fing wieder an zu schlagen. »Vielleicht zählen solche Dinge für die dama’ting nicht, denn selbst der niedrigste khaffit steht noch über einer Frau, aber ich lasse es nicht zu, dass ein Krieger so tief fällt, wenn er sämtliche Herausforderungen bestanden hat. Seit der Zeit des Shar’Dama Ka wurde noch keinem Knaben, der im Labyrinth alagai -Blut vergossen hat, die schwarze Tracht verwehrt. Mit ihrer Entscheidung entehrt die dama’ting uns alle, und egal, ob sie Everams Dienerin ist oder nicht, sie ist nur eine Frau und kann nicht verstehen, welche Gefühle das in den Herzen sämtlicher Sharum erzeugen würde.«
»Und was wird jetzt aus mir?«, fragte Jardir.
»Du wirst in den Sharik Hora aufgenommen«, verkündete Khevat. »Ich habe bereits mit Damaji Amadeveram gesprochen.
Und da er zugestimmt hat, kann nicht einmal die dama’ting diesen Beschluss umstoßen.«
»Ich soll Geistlicher werden?«, vergewisserte sich Jardir. Er bemühte sich, sein Missfallen zu verbergen, aber seine Stimme brach und er wusste, dass er versagt hatte.
Khevat lachte verhalten. »Nein, Junge, deine Bestimmung ist immer noch das Labyrinth«, beruhigte er ihn, »aber du erhältst hier bei uns eine Ausbildung, bis du für den Kampf bereit bist. Lerne fleißig, dann steigst du zum kai’Sharum auf, wenn andere Knaben in deinem Alter noch ihren Bido tragen.«
»Das ist deine Zelle«, erklärte Khevat und führte Jardir in eine Kammer tief im Inneren des Sharik Hora . Der Raum war zehn mal zehn Fuß groß und in den Sandstein hineingehauen. In einer Ecke stand eine harte Pritsche. Es gab eine schwere, hölzerne Tür, aber sie hatte weder ein Schloss noch einen Riegel. Das einzige Licht spendete eine Funzel im Korridor, und der Schein sickerte durch ein vergittertes Fenster in der Tür. Verglichen mit der Gemeinschaftsunterkunft und dem Steinboden des Kaji’sharaj , auf dem er bis jetzt hatte schlafen müssen, hätte er selbst diese karge Zelle als behaglich empfunden, wären da nicht die Schande gewesen, die ihn hierherbrachte, und die Freuden des Kaji-Pavillons, die ihm nun entgingen.
»Du wirst hier fasten und die Dämonen aus deinem Geist vertreiben«, befahl Khevat. »Morgen früh beginnt deine Ausbildung.« Er ging, und seine Schritte verhallten im Korridor, bis wieder völlige Stille eintrat.
Jardir ließ sich auf die Pritsche fallen und legte den Kopf auf seine verschränkten Arme. Doch wie er so auf dem Bauch lag, musste er an Hasik denken, und Wut und Scham stiegen in ihm
auf, bis es unerträglich wurde. Er sprang auf die Füße, packte die Pritsche und schmetterte sie schreiend gegen die Wand. Er warf sie auf den Boden, trat auf das Holz ein und zerriss den Stoff, bis er keuchend und heiser inmitten eines Haufens aus Splittern und Tuchfetzen stand.
Jählings ging ihm auf, was er getan hatte, und er straffte die Schultern, aber auf seinen Anfall von Zerstörungswut erfolgte keinerlei Reaktion. Er fegte die Trümmer in eine Ecke und begann einen sharukin . Die eingeübte Folge von Bewegungsabläufen half ihm, sich zu sammeln und sein inneres Gleichgewicht wiederzufinden, wie kein Gebet es vermocht hätte.
Seine Gedanken kreisten um die Ereignisse der letzten Woche. Abban war jetzt ein khaffit . Jardir schämte sich für ihn, aber er umarmte das Gefühl und erkannte die dahinter liegende Wahrheit. Abban war schon immer ein khaffit gewesen, und der Hannu Pash hatte dies gezeigt.
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