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Das Flüstern der Nacht

Das Flüstern der Nacht

Titel: Das Flüstern der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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die Worte des Evejah in eine Kiste voll Sand, während er sie laut aufsagte. Er hielt das Ganze für eine nutzlose Fertigkeit, die für einen Krieger nicht angemessen war, aber Jardir beugte sich der Forderung der dama’ting , arbeitete fleißig und beherrschte die Buchstaben sehr schnell. Dann konnte er dazu übergehen, sich mit Mathematik, Geschichte und Philosophie zu beschäftigen, und zum Schluss kam das Bannzeichnen an die Reihe. Von diesem Unterricht konnte er gar nicht genug bekommen. Alles, was den alagai schaden oder sie aufhalten konnte, sog er mit äußerster Hingabe in sich auf.
    Exerziermeister Qeran kam mehrmals in der Woche und trainierte mit ihm stundenlang den Umgang mit dem Speer, um seine Technik zu vervollkommnen, während die Gelehrten unter den
dama ihn in Taktik und Kriegsgeschichte unterwiesen und ihm ein Wissen vermittelten, das noch aus der Zeit des Erlösers stammte.
    »Krieg bedeutet mehr als Tapferkeit auf dem Schlachtfeld«, erklärte dama Khevat. »Im Evejah steht, dass das Wichtigste am Krieg die Täuschung ist.«
    »Täuschung?«, fragte Jardir.
    Khevat nickte. »So wie du mit einem Speer eine Finte machst, muss ein weiser Anführer seinen Feind in die Irre führen, ehe er überhaupt in die Schlacht zieht. Ist er stark, muss er schwach erscheinen. Ist er aber schwach, muss er sich den Anschein geben, als sei er zum Kampf bereit. Kommt er seinem Gegner so nahe, dass er zuschlagen kann, muss er so tun, als sei er so weit entfernt, dass nicht einmal Drohungen von Nutzen wären. Wenn er seine Truppen neu formiert, muss er seine Feinde glauben machen, ein Angriff stünde unmittelbar bevor. Auf diese Weise sorgt er dafür, dass der Gegner seine Kräfte verschleißt, während er mit seinen eigenen haushält.«
    Jardir legte den Kopf schräg. »Ist es nicht ehrenhafter, den Feind direkt anzugreifen?«
    »Wir haben das Große Labyrinth nicht gebaut, um vorzupreschen und dem Feind in offener Schlacht zu begegnen«, belehrte Khevat ihn. »Es gibt keine größere Ehre als den Sieg, und wer den Sieg erringen will, muss jeden Vorteil nutzen, egal, ob groß oder klein. Das ist das innerste Wesen des Krieges, und der Krieg ist das innerste Wesen aller Dinge, angefangen beim niedrigsten khaffit , der im Bazar feilscht, bis hin zum Andrah , der sich in seinem Palast Bittgesuche anhört.«
    »Ich verstehe«, erwiderte Jardir.
    »Täuschung beruht auf Heimlichkeit«, fuhr Khevat fort. »Wenn Spitzel von deiner Durchtriebenheit erfahren, rauben sie dir die ganze Kraft. Ein großer Anführer muss seine Schliche so gut verbergen, dass selbst seine engsten Vertrauten und manchmal sogar er selbst nicht daran denken, bis der Zeitpunkt zum Zuschlagen gekommen ist.«

    »Aber warum führt man überhaupt Kriege, dama ?«, fragte Jardir vorsichtig.
    »Was?«, erwiderte Khevat.
    »Wir alle sind Everams Kinder«, führte Jardir aus. »Die Feinde sind die alagai . Um sie zu besiegen, benötigen wir jeden Mann, und trotzdem bringen wir uns jeden Tag unter dem Antlitz der Sonne gegenseitig um.« Khevat sah ihn an, und Jardir hätte nicht sagen können, ob der dama sich über seine Frage ärgerte oder freute.
    »Einigkeit«, antwortete der dama schließlich. »Im Krieg stehen die Männer zusammen, und durch ihre vereinten Kräfte sind sie stark. Der Kaji selbst sagte während seiner Eroberung der Grünen Länder: Einigkeit ist jeden Blutzoll wert. Um der Nacht und Nies zahllosen Legionen zu trotzen, sind tausend in Eintracht kämpfende Männer besser als hundert Millionen, die sich einzeln verstecken. Das darfst du nie vergessen, Ahmann.«
    Jardir verbeugte sich. »Ich werde es mir gut merken, dama .«

5
    Jiwah Ka
    316-333 NR
     
     
    D rei nie’dama näherten sich ihm von allen Seiten, und obwohl er sie nicht sehen konnte, spürte Jardir, dass die dama’ting ihn beobachtete. Sie hielt stets ein Auge auf ihn.
    Er umarmte diesen Augenblick, so wie er Schmerzen verinnerlichte, und ließ sämtliche weltlichen Kümmernisse von sich abfallen. Nach über fünf Jahren im Sharik Hora fand er nun mühelos seinen inneren Frieden, wenn er ihn suchte. Ihn gab es nicht mehr. Auch die anderen hatten ihre Bedeutung verloren. Selbst sie schloss er aus seinen Gedanken aus. Es gab nur noch den Tanz.
    Ashan stürzte sich als Erster auf ihn, aber Jardir täuschte eine Abwehr vor, dann drehte er sich und sprang blitzschnell zur Seite, um Halvan einen Schlag gegen die Brust zu verpassen. Ashans Tritt ging daneben. Jardir packte Halvans

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