Das Flüstern der Nacht
dama’ting betrachtete ihn einen Moment lang, dann zuckte sie die Achseln, ein Lächeln in den Augen.
Stolz marschierte Jardir auf die Exerzierplätze der Kaji, gefolgt von Dama Khevat und der dama’ting . Bei ihrem Auftritt unterbrachen die dal’Sharum ihren Drill, und als sie Jardirs Gesicht sahen, ging ein Raunen durch die Reihen, ein Zeichen, dass sie ihn wiedererkannten. Jemand gab ein bellendes Lachen von sich.
»Seht euch das an! Die Ratte kommt zurück!«, schrie Hasik, bei dem die Zischlaute auch nach so vielen Jahren immer noch durch die Zahnlücke pfiffen. Der massige Krieger setzte seinen Speer mit einem dumpfen Knall auf dem Boden auf. »Er hat nur fünf Jahre gebraucht, um seinen Bido gegen die schwarze Kluft einzutauschen!« Mehrere Männer fingen daraufhin an zu lachen.
Jardir lächelte. Es war völlig normal, dass die Sharum einen neuen kai auf die Probe stellten, und genauso unvermeidlich war es, dass Hasik den Anfang machte. Der kraftstrotzende Krieger war immer noch größer als Jardir, doch der näherte sich ihm ohne Furcht.
Ohne sich einschüchtern zu lassen, starrte Hasik ihn abweisend an. »Auch wenn ein weißer Schleier um deinen Hals hängt, bist du trotzdem der Sohn von Pisse«, höhnte er so leise, dass die anderen ihn nicht hören konnten.
»Ah, Hasik, mein ajin’pal «, rief Jardir laut. »Nennt man dich immer noch Pfeifer? Wenn du willst, schlage ich dir gern noch ein paar Zähne aus und heile dich von diesem Leiden!«
Ringsum lachten die Sharum . Jardirs Blick wanderte durch die Reihen und er entdeckte viele, die ihm gefolgt waren, als er noch Nie Ka war.
Aus Hasiks Kehle löste sich ein tiefes Grollen, und er sprang Jardir an, doch der trat rasch zur Seite, drehte sich um die eigene Achse und beförderte den Krieger mit einem Kreistritt in den Staub. Geduldig blieb er stehen, während sich Hasik mit wutverzerrtem Gesicht, aber unverletzt, wieder aufrappelte.
»Dafür bringe ich dich um!«, schwor Hasik.
Jardir lächelte; er erkannte die Gedanken und Absichten seines Gegners, als seien sie geschriebene Worte im Sand. Hasik stürzte sich auf ihn und stieß mit dem Speer zu, aber Jardir machte eine Drehung und schlug die Spitze seitlich weg; Hasik stolperte an ihm vorbei und verlor die Balance. Den Speer wie einen Stock schwingend, wirbelte er herum, doch Jardir beugte sich nach hinten wie eine Palme im Wind und wich dem Schlag aus, ohne seine Füße auch nur um einen Zoll zu bewegen. Bevor Hasik erneut angreifen konnte, schnellte er in eine aufrechte Stellung zurück, packte die Waffe mit beiden Händen, trat zwischen seinen Händen hindurch nach oben und brach den dicken Holzschaft entzwei. Den Fußtritt setzte er fort und traf Hardir mitten ins Gesicht.
Zu seiner Genugtuung hörte er das Knacken, als Hasiks Kinnlade brach, dennoch machte Jardir weiter. Die Spitze des Speers ließ er fallen und behielt nur das hintere Ende; damit ging er auf Hasik zu, der sich abmühte, auf die Beine zu kommen.
Hasik schlug nach ihm, und Jardir wunderte sich, dass er einmal geglaubt hatte, diese Schläge kämen viel zu schnell, um sie abwehren zu können. Nach all den Jahren bei den dama schien sich die Faust nun im Kriechtempo zu bewegen. Er packte Hasiks
Handgelenk, verdrehte es mit voller Kraft und merkte, wie er ihm die Schulter auskugelte. Hasik schrie, als Jardir mit dem Speerende Schwung holte und das Knie des Kriegers zertrümmerte. Der Mann sackte zu Boden, und mit einem Fußtritt beförderte Jardir ihn in Bauchlage. Es war sein gutes Recht, Hasik zu töten, und wahrscheinlich erwarteten die versammelten Sharum von ihm nichts anderes, aber Jardir hatte nicht vergessen, was Hasik ihm im Labyrinth angetan hatte.
»Und jetzt, Hasik«, rief er, während alle dal’Sharum des Kaji-Stamms gespannt zusahen, »werde ich dich lehren, eine Frau zu sein.« Er hielt das Speerende in die Höhe. »Und das hier ist der Mann.«
»Passt auf, dass er sich aus Scham nicht in seinen Speer stürzt!«, riet Jardir Shanjat, als man den vor Schmerzen und Erniedrigung heulenden Hasik zum dama’ting -Pavillon schleppte. »Ich will nicht, dass mein ajin’pal einen dauerhaften Schaden davonträgt.«
»Wie mein kai’Sharum befiehlt«, antwortete Shanjat, »doch bevor er sich in den Speer stürzen kann, wird man ihn herausziehen müssen.« Feixend verbeugte er sich vor Jardir und eilte dem verletzten Krieger hinterher. Jardir folgte Shanjat mit seinen Blicken und staunte, wie schnell sie in die
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