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Das Flüstern der Nacht

Das Flüstern der Nacht

Titel: Das Flüstern der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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dir zu kämpfen, aber wenn du eine Bedrohung darstellst, bringen seine Männer dich um.«
    »Hältst du mich für einen Narren?«, fragte Jardir.
    Inevera schnaubte durch die Nase. »Mach ihn nur wütend«, riet sie ihm. »Alles Weitere ist inevera .«
    »Wie die dama’ting befiehlt«, seufzte Jardir.
    Inevera nickte. Sie gelangten in einen mit Kissen ausgestatteten Warteraum. »Bleib hier«, bestimmte sie. »Ich gehe jetzt und spreche allein mit dem Andrah , bevor dein Prozess beginnt.«
    »Prozess?«, fragte Jardir, aber sie war bereits aus dem Zimmer geschlüpft.

    Noch nie war Jardir dem Andrah nah genug gekommen, um das Gesicht des Mannes zu sehen. Es war alt und zerfurcht, der Bart völlig weiß. Seine rundliche Gestalt deutete darauf hin, dass er opulente Mahlzeiten liebte. Jardir fand seine Korpulenz abstoßend, und er musste sich in Erinnerung rufen, dass dieser Mann seinerzeit als der größte sharusahk -Meister galt; im Einzelkampf hatte er die geschicktesten Damaji besiegt, um den Schädelthron zu erobern. Während seiner Ausbildung im Sharik Hora hatte Jardir gesehen, wie der Kaji- Damaji , Amadeveram, ein Mann von ungefähr sechzig Jahren, im sharusahk -Kreis ein halbes Dutzend junger und wendiger dama auf den Rücken legte.
    Er schaute genauer hin und versuchte, in den Bewegungen des Andrah noch irgendwelche Anzeichen seines sharusahk -Trainings zu erkennen, aber anscheinend hatten seine allgegenwärtigen Leibwachen und Diener den Mann verweichlicht. Selbst jetzt, während
der Verhandlung, bediente er sich aus einer Schale mit gezuckerten Datteln.
    Jardirs Blicke huschten zu den Seiten des Throns. Rechts hatten sich die zwölf Damaji aufgereiht, die Anführer sämtlicher Stämme Krasias. In ihren weißen Roben und mit schwarzen Turbanen auf den Häuptern standen sie da, ärgerlich untereinander tuschelnd, weil man sie in ihren Geschäften unterbrochen und zum Palast geschleppt hatte, noch ehe die Sonne richtig aufgegangen war. Zur Linken des Andrah , zwei Schritte hinter dem Thron, standen die Damaji’ting . Wie die Damaji , so trugen auch sie schwarze Kopfbedeckungen und schwarze Schleier, die in scharfem Kontrast zu ihren weißen Gewändern standen. Doch im Gegensatz zu den Damaji hüllten sie sich in völliges Schweigen und beobachteten die Vorgänge mit Augen, denen nichts zu entgehen schien.
    Kennen sie mein Schicksal?, fragte sich Jardir und streifte mit einem Blick seine Jiwah Ka , die neben ihm stand. Oder wissen sie nur, was Inevera ihnen erzählt?
    »Sohn des Hoshkamin«, richtete Damaji Amadeveram das Wort an Jardir, »erzähle uns bitte aus deiner Sicht, was sich gestern Nacht im Labyrinth zugetragen hat.« Er war ein Kaji und der Erste Minister des Andrah , und nach diesem vielleicht der mächtigste Geistliche in ganz Krasia. Der Andrah vertrat offiziell alle Stämme, aber er war derjenige, der den Sharum Ka und den Ersten Minister ernannte, und aus seinen Unterrichtsstunden wusste Jardir, dass seit Jahrhunderten kein Andrah diese beiden Ämter mit Männern eines anderen Stammes besetzt hatte. Dies wäre als ein Zeichen von Schwäche ausgelegt worden.
    Der Sharum Ka wirkte verstimmt, offensichtlich hatte er erwartet, als Erster seine Darstellung der Ereignisse vortragen zu dürfen. Er stürmte zu dem Teegeschirr, das man für ihn aufgestellt hatte, und nahm sich eine Tasse. Daran, wie ungleichmäßig der Dampf hochstieg, erkannte Jardir, dass seine alten Hände zitterten.

    »Bei der abendlichen Mahlzeit der kai’Sharum verkündete der Sharum Ka wie immer seine Befehle«, begann Jardir. »In der Nacht davor hatten meine Männer sehr erfolgreich gekämpft und gierten danach, noch mehr zu Asche verbrannte alagai zu Nie zurückzuschicken.«
    Der Damaji nickte. »Euer Erfolg blieb nicht unbemerkt. Und deine Lehrer im Sharik Hora haben eine hohe Meinung von dir. Fahre fort.«
    »Wir waren bestürzt, als wir erfuhren, dass wir in die zehnte Ebene geschickt werden sollten«, erklärte Jardir. »Es ist noch gar nicht lange her, da standen wir in der ersten Ebene, und für jeden Mann, den wir verloren, zeigten wir hundert alagai die Sonne. Doch dann, vor kurzem, wurden wir in die zweite Ebene verlegt, und bald darauf in die dritte. Wir trugen es mit Stolz; auch in den niedrigeren Ebenen können alle genug Ruhm ernten. Aber anstatt uns, wie erwartet, in die vierte Ebene zu beordern, entsandte der Sharum Ka die Sharach dorthin und teilte uns deren üblichen Platz in der zehnten zu.«
    Jardir

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