Das Flüstern der Nacht
entlang und beteten zu Everam, wir würden rechtzeitig eintreffen.«
»Und was fandest du vor, als ihr an der betreffenden Stelle ankamt?«, fragte Amadeveram.
»Die Hälfte der Sharach lag am Boden«, antwortete Jardir. »Vielleicht ein Dutzend kämpfte noch, aber keiner dieser Männer war unverletzt. Sie wehrten sich gegen eine gleiche Anzahl von alagai , und da die Grube offen lag, konnten die Dämonen sie umgehen.«
Wieder sah Jardir den Sharach- Damaji an. »Die Männer, die nicht gefallen waren, trotzten der Nacht. Das Blut von Sharach, der mit dem Shar’Dama Ka selbst Seite an Seite focht, fließt stark in ihren Adern.«
»Und was passierte dann?«, drängte der Damaji .
»Meine Männer standen unseren Sharach-Brüdern bei, wir vertrieben die Dämonen, warfen sie in die Grube und zeigten ihnen die Sonne.«
»Es heißt, du hättest eigenhändig ein paar getötet«, bemerkte Amadeveram mit unverkennbarem Stolz in der Stimme, »allein durch sharusahk .«
»Auf diese Weise schickte ich nur zwei in die Grube«, entgegnete Jardir. Er wusste, dass seine Gemahlin hinter ihrem Schleier unwirsch dreinblickte, doch das kümmerte ihn nicht. Er wollte seinen Damaji nicht belügen oder Ruhm beanspruchen, der ihm nicht zustand.
»Trotzdem war es eine große Tat«, stellte Amadeveram fest. »Sanddämonen sind wesentlich stärker als ein Mann.«
»Meine Jahre im Sharik Hora haben mich gelehrt, dass es nicht auf Körperkraft allein ankommt«, erwiderte Jardir mit einer Verbeugung.
»Das macht ihn nicht weniger zu einem Verräter!«, knurrte der Sharum Ka .
»Welchen Verrat habe ich begangen?«, fragte Jardir.
»Ich hatte einen Befehl erteilt!«, kam die gebrüllte Antwort.
»Es war der Befehl eines Narren«, erwiderte Jardir. »Du gabst einen Befehl, der deine besten Krieger zur Untätigkeit verurteilte
und gleichzeitig den Untergang der Sharach heraufbeschwor. Und dennoch habe ich ihn befolgt!«
Der Majah- Damaji , Aleverak, trat vor. Er war ein Greis, sogar noch älter als Amadeveram. Er war dünn wie ein Speer, aber trotz seiner fast siebzig Jahre hielt er sich aufrecht.
»Der einzige Verräter, den ich hier sehe, bist du!«, schrie Aleverak den Sharum Ka an. »Du sollst für alle Sharum in Krasia sprechen, aber du warst bereit, die Sharach zu opfern, nur um einen Rivalen zu unterdrücken!«
Der Sharum Ka machte einen Schritt auf den Damaji zu, aber anstatt zurückzuweichen, marschierte Aleverak nach vorn und nahm eine sharusahk -Kampfstellung ein. Anders als Jardir, der lediglich ein kai’Sharum war, durfte ein Damaji einen Sharum Ka herausfordern und töten und somit den Platz für einen Nachfolger freimachen.
»Genug!«, donnerte der Andrah . »Zieht euch wieder zurück!« Beide Männer gehorchten und senkten sofort den Blick, als Zeichen ihrer Unterordnung.
»Ich werde nicht dulden, dass ihr in meinem Thronzimmer kämpft wie … wie…«
»Wie Männer?«, half Inevera aus.
Jardir verschlug es beinahe den Atem, als er sie so kühn sprechen hörte, doch der Andrah funkelte sie nur böse an, ohne sie zu maßregeln.
Dann seufzte der Andrah und wirkte auf einmal unendlich erschöpft; Jardir sah, wie die Last der Jahre ihn niederdrückte. Möge Everam mir gewähren, dass ich jung sterbe, betete er stumm.
»Ich bin nicht der Ansicht, dass in der letzten Nacht ein Verbrechen begangen wurde«, verkündete der Andrah schließlich. Er musterte den Majah durchdringend. » Keine Seite hat sich schuldig gemacht. Der Sharum Ka gab die Befehle aus, wie es ihm obliegt, und der kai’Sharum traf in der Hitze des Gefechts eine eigenständige Entscheidung.«
»Er hat mich vor allen meinen Männern beleidigt!«, brüllte der Sharum Ka . »Allein deshalb steht mir das Recht zu, ihn töten zu lassen.«
»Vergib mir, Sharum Ka , aber dem ist nicht so«, stellte Amadeveram richtig. »Wenn er dich gekränkt hat, darfst du ihn selbst töten, aber du hast keineswegs das Recht, diese Aufgabe anderen Männern zu übertragen. Hättest du ihm das Leben genommen, wäre die Angelegenheit damit aus der Welt geschafft. Darf ich fragen, warum du es nicht tatest?«
Eine Zeit lang herrschte Schweigen, während der Sharum Ka nach einer Antwort suchte. Inevera stieß Jardir sachte in die Rippen.
Verstohlen sah er sie an. Wir haben gesiegt, nicht wahr?, fragte er sie mit Blicken, doch die Antwort, die er in ihren Augen las, war bitter.
»Weil er ein Feigling ist!«, verkündete Jardir. »Er ist nicht stark genug, um den weißen
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