Das Flüstern der Nacht
unteren, von innen verriegelten Etagen auf, wie das Gesetz es verlangt. Es war dumm von dir, hierherzukommen, Ashan hatte Recht. Du verletzt deine Pflicht, nur um deine Neugier zu befriedigen. In dieser Nacht sterben Männer, während du durch dein eigenes Haus schleichst.
Gerade als er sich anschickte, den Palast wieder zu verlassen und in das Labyrinth zurückzukehren, hörte er ein Geräusch, das aus seinen Schlafgemächern kam. Es wurde lauter, als er sich näher heranpirschte. Er spähte um einen Vorhang herum und sah zwei kai’Sharum , die die weiße Schärpe der Leibwachen des Andrah trugen, vor der Tür zu seinem Schlafzimmer stehen. Die Geräusche nahmen an Deutlichkeit zu, und plötzlich erkannte er sie.
Es waren Ineveras Schreie.
Wut kochte in ihm hoch, heftiger, als er es je für möglich gehalten hatte. Bevor er überhaupt wusste, was er tat, zerschmetterte
seine Faust das Rückgrat eines der kai’Sharum . Der Mann stöhnte, doch er wurde sofort zum Verstummen gebracht, als er auf den Boden sackte und Jardir ihm mit einem Stoß seiner Ferse die Kehle zerquetschte.
Der andere Krieger wirbelte herum, wobei er sich mit einer Geschmeidigkeit bewegte, die man von einem im Sharik Hora ausgebildeten Sharum erwarten konnte, aber Jardirs Zorn kannte keine Grenzen. Der Mann griff nach ihm, doch Jardir duckte sich unter seinen ausgestreckten Armen hindurch und richtete sich hinter seinem Rücken wieder auf. Mit einer Hand packte er das Kinn des anderen, mit der anderen dessen Hinterkopf; eine scharfe Drehung, und der Mann sank tot auf den Teppich.
Jardir wirbelte einmal um die eigene Achse und trat mit voller Kraft gegen die Tür. Sie war von innen verriegelt, aber er biss nur die Zähne zusammen und trat noch einmal zu; dieses Mal lösten sich die Angeln aus dem Rahmen und die Tür kippte nach innen.
Bei der Szene, die sich ihm darbot, erstarrte er; er fühlte sich, als hätte ihm jemand einen Speer in die Brust gerammt. Er hatte damit gerechnet, dass der Andrah Inevera niederdrückte und sich ihr aufzwang, doch das genaue Gegenteil war der Fall; seine Frau, die völlig nackt war, ritt genauso wollüstig auf dem Fettwanst, wie Qasha noch an diesem Morgen auf ihm geritten war. Der Andrah starrte ihn mit allen Anzeichen des Entsetzens an, doch unter dem Gewicht von Ineveras Körper konnte er sich nicht bewegen. Inevera sah ihn an, und in seiner Raserei schien es ihm, als spiele ein hämisches Lächeln um ihre Mundwinkel, während sie ihm den letzten Rest seiner Ehre raubte.
Hatte seine Wut zuvor noch einem glühenden Schmelzofen geglichen, so steigerte sie sich jetzt zur fünften Ebene von Nies Abgrund. Er marschierte zu dem Gestell an der Wand und zog einen kurzen Speer heraus. Als er sich wieder umdrehte, hatte sich der Andrah unter Inevera hervorgewunden. Nackt stand er in Jardirs Schlafkammer, und sein schlaffes Geschlecht versteckte sich in den
Speckfalten seines gewaltigen Bauches. Bei seinem Anblick wurde Jardir übel.
»Halt ein! Ich befehle es dir!«, schrie der Andrah , als Jardir auf ihn zu stürzte, doch Jardir achtete nicht auf ihn, sondern schlug ihm das stumpfe Ende der Waffe gegen die Kinnlade.
»Nicht einmal du kannst einem Mann das Recht verweigern, den Buhlen seiner Gemahlin zu töten!«, brüllte Jardir, als der Andrah zu Boden ging. »Heute Nacht erweise ich Krasia einen Dienst!« Er hob den Speer und wollte den Mann aufspießen.
Inevera fiel ihm in den Arm. »Du Narr!«, kreischte sie. »Du wirst alles zunichtemachen!«
Jardir warf sich herum und schlug Inevera mit dem Handrücken ins Gesicht, so dass sie zur Seite taumelte. »Keine Angst, meine treulose Jiwah «, fauchte er, während er sich wieder dem Andrah zuwandte. »Mein Speer findet dich noch früh genug.«
Wieder hob er die Waffe, und der Andrah schrie in höchsten Tönen, doch plötzlich erschien alles in ein orangerotes Licht getaucht, und Jardir traf ein Schlag von einer so unglaublichen Wucht, dass er von seinem Opfer weggefegt wurde. Die in seine Kriegerkluft eingenähten Platten aus gebranntem Ton milderten die Kraft des Stoßes, doch als er sich von seinem Aufprall gegen die Wand erholt hatte, merkte er, dass seine Gewänder in Flammen standen. Mit einem Schrei riss er sie sich vom Leib.
Sein Blick huschte zu Inevera; in einer Hand hielt sie den Schädel des Feuerdämons, den sie zu ihrer ersten Begegnung im Sharik Hora mitgebracht hatte. Splitternackt stand sie vor den beiden Männern, ohne sich zu schämen, in
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