Das Flüstern der Nacht
haben diesen würdelosen Dreck entfernt und für diese Gewölbe eine bessere Verwendung gefunden.«
Wie auf ein Stichwort hin fing ein Mann an zu brüllen, und seine Schmerzensschreie hallten durch die unterirdischen Gänge. Ashan achtete nicht darauf, sondern führte Jardir durch die Tunnel in ein bestimmtes Gelass. Darin hingen mehrere der Geistlichen aus dem Norden - sie wurden Fürsorger genannt - an ihren Handgelenken von einem Deckenbalken in der Mitte des Raumes. Ihre Oberkörper hatte man entblößt, und das Fleisch war zerfetzt von Schlägen mit dem Alagaischwanz - einer Peitsche, die selbst den Willen des stärksten Mannes brechen konnte.
Mit einem Wink bedeutete Ashan den dal’Sharum -Folterknechten, sie sollten beiseite treten, und er marschierte zu einem der Gefangenen hin.
»Du«, rief er und zeigte mit dem Finger auf den Mann, »wiederhole vor dem Shar’Dama Ka , was du mir gesagt hast, wenn du dich traust.«
Der Fürsorger hob schwach den Kopf. Eines seiner Augen war zugeschwollen, und aus dem anderen strömten Tränen und zeichneten
Spuren über sein von Schmutz und Blut beschmiertes Gesicht.
»Geh zum Horc!«, lallte er und wollte Ashan anspucken, aber seine Kraft reichte nicht aus, und der blutige Speichel benetzte nur seine Unterlippe.
Sofort eilte der Folterknecht herbei, in den Händen eine Zange. Mit festem Griff packte er das Gesicht des Fürsorgers, zwängte seinen Mund auf und schloss die Zange über einen der Vorderzähne. Die Schreie des Mannes gellten durch den Raum.
»Genug«, befahl Jardir nach einer Weile. Sofort hielt der Folterknecht inne, verbeugte sich und zog sich an die Wand zurück. Der Fürsorger hing schlaff von den Fesseln an seinen Handgelenken. Jardir ging zu ihm und sah ihn traurig an. »Ich bin der Shar’Dama Ka , ein Gesandter des Everam, dessen Barmherzigkeit unendlich ist. Sprich und sage die Wahrheit, dann werde ich deine Qualen beenden.«
Der Fürsorger hob den Blick, und ein wenig von seiner Kraft schien zurückzukehren. »Ich kenne dich«, krächzte er. »Du behauptest, du seist der Erlöser, aber der bist du nicht.«
»Und woher willst du das wissen?«, fragte Jardir.
»Weil der Erlöser schon da ist«, erwiderte der Fürsorger. »Der Tätowierte Mann schreitet durch die Finsternis, und bei seinem Anblick ergreifen die Horclinge die Flucht. Er hat das Tal des Erlösers vor der sicheren Zerstörung gerettet, und wenn es so weit ist, wird er sich auch mit dir befassen.«
Überrascht wandte sich Jardir an Ashan.
»Das ist nicht nur das Gefasel eines einzigen Mannes, Shar’Dama Ka «, bemerkte der Damaji . »Auch andere chin sprechen von diesem tätowierten Ungläubigen. Du musst diesen falschen Propheten vernichten, und das schnell, wenn du dir deinen rechtmäßigen Rang sichern willst.«
Jardir schüttelte den Kopf. »Du klingst schon wie mein Weib, alter Freund«, entgegnete er.
7
Der Mann aus den Grünen Ländern
326 NR
E ines Tages werde ich Sharum Ka sein!«, brüllte Jayan und schleuderte seinen Speer auf die mit Lumpen ausgestopfte Stechpuppe, die Jardir für ihn gemacht hatte. Langsam schaukelte sie an dem Seil, mit dem sie an einem Deckenbalken festgebunden war.
Jardir lachte und freute sich über die Energie, die sein Sohn an den Tag legte. Jayan war jetzt zwölf, trug bereits seinen Bido und in der Essensschlange behauptete er immer seinen Platz. Noch nie war er leer ausgegangen. An dem Tag, als seine Söhne die ersten Schritte machten, hatte Jardir damit begonnen, ihnen den sharukin beizubringen.
» Ich will Sharum Ka sein«, lamentiert der elfjährige Asome. »Ich will kein blöder dama werden.« Er zupfte an dem weißen Tuch, das er über einer Schulter trug.
»Ah, aber du wirst das Bindeglied zwischen dem Sharum Ka und Everam darstellen«, erklärte Jardir. »Und eines Tages bist du vielleicht der Damaji und sprichst für den gesamten Kaji-Stamm. Sogar Andrah könntest du werden.« Er lächelte, aber insgeheim gab er dem Jungen Recht. Seine Söhne sollten Krieger werden, nicht Geistliche. Der Sharak Ka stand kurz bevor.
Wäre es nach Inevera gegangen, hätte Jayan die weiße Robe getragen, aber das hatte Jardir rundweg abgelehnt. Das war einer
der wenigen Siege, die er über sie errungen hatte, doch er fragte sich, ob es tatsächlich ein Triumph war. Er hielt es keineswegs für ausgeschlossen, dass sie die ganze Zeit über gewollt hatte, dass Asome die weiße Tracht anlegte.
Die anderen Jungen drängelten sich um sie
Weitere Kostenlose Bücher