Das Flüstern der Nacht
und beobachteten mit ehrfürchtigem Staunen ihre älteren Brüder. Die meisten von Jardirs Söhnen waren noch zu jung für den Hannu Pash und mussten noch warten, bis sie ihren Weg fanden. Die zweitgeborenen Söhne sollten die Laufbahn eines dama einschlagen, alle anderen würden zu Sharum ausgebildet. Es war die erste Nacht der drei Tage dauernden Neumondphase, die das Erlöschen des Mondes genannt wurde, wenn Nies Macht angeblich am stärksten war und Alagai Ka durch die Nacht schlich. Dann verlieh nichts einem Krieger mehr Kraft für den bevorstehenden alagai sharak als die Gesellschaft seiner Söhne.
Und seiner Töchter, dachte er, während er sich an Inevera wandte.
»Ich möchte, dass auch meine Töchter bei jedem Erlöschen des Mondes nach Hause kommen«, sagte er zu ihr.
Sie schüttelte den Kopf. »Ihre Ausbildung darf nicht unterbrochen werden, mein Gemahl. Der Hannu Pash der nie’dama ting ist sehr … streng.« Und tatsächlich wurden die Mädchen viel früher aus dem Haus geholt als seine Söhne. Seine älteste Tochter hatte er seit Jahren nicht gesehen.
»Aber sie können doch nicht alle dama’ting werden«, meinte er. »Ich brauche Töchter, um sie mit den Männern zu verheiraten, die mir treu ergeben sind.«
»Die hast du auch«, erwiderte Inevera. »Töchter, denen kein Mann etwas anzutun wagt, und die dir loyaler dienen als ihren Ehemännern.«
»Und Everam werden sie noch mehr gehorchen als mir«, murmelte er.
»Natürlich«, stimmte Inevera zu, und er ahnte, wie sie hinter ihrem Schleier lächelte. Er stand im Begriff, ihr eine scharfe Antwort
zu geben, als Ashan den Raum betrat. Sein Sohn Asukaji, der im selben Alter war wie Asome, zockelte in seinem nie’dama -Bido hinter ihm her. Ashan verneigte sich vor Jardir.
» Sharum Ka , die kai’Sharum wünschen, dass du eine bestimmte Angelegenheit für sie regelst.«
»Ich beschäftige mich gerade mit meinen Söhnen, Ashan«, gab Jardir zurück. »Kann das nicht warten?«
»Ich bitte um Vergebung, Erster Krieger, aber ich glaube nicht.«
»Also gut«, seufzte Jardir. »Worum geht es?«
Ashan verneigte sich wieder. »Ich halte es für das Beste, wenn der Sharum Ka das Problem selbst in Augenschein nimmt.«
Jardir lupfte eine Augenbraue. Ashan hatte noch nie gezögert, ihm seine persönliche Einschätzung einer Situation zu sagen, auch dann nicht, wenn er wusste, dass Jardir ihm nicht beipflichten würde.
»Jayan!«, rief er. »Hol meinen Speer und den Schild! Asome! Meine Gewänder!«
Die Jungen sausten los, und Jardir stand auf. Zu seiner Überraschung erhob sich auch Inevera. »Ich werde meinen Gemahl begleiten«, verkündete sie.
Ashan verneigte sich. »Selbstverständlich, dama’ting .«
Jardir musterte sie scharf. Was wusste sie? Was hatten die verfluchten alagai hora ihr über diese Nacht erzählt?
Kurze Zeit später brachen Jardir, Ashan und Inevera auf und schritten die prunkvolle Steintreppe des Sharum Ka -Palastes hinunter, vor dem die Exerzierplätze der Sharum lagen. Am anderen Ende stand der Sharik Hora , und an den Längsseiten befanden sich die Pavillons der einzelnen Stämme.
Unweit des Treppenfußes, weit innerhalb der Palastmauern, umringte eine Gruppe von Sharum und dama zwei khaffit . Ihr Anblick erregte Jardirs Zorn. Es war eine Beleidigung, wenn die Füße eines khaffit den Boden der Sharum Ka -Residenz beschmutzten. Er öffnete den Mund, um seinem Unmut Ausdruck zu verleihen, als er einen der khaffit erkannte.
Abban.
Viele Jahre lang hatte Jardir nicht mehr an seinen alten Freund gedacht, als wäre der Junge tatsächlich in der Nacht gestorben, als er seinen Eid brach. Seitdem waren über fünfzehn Jahre vergangen, und wenn an Jardir nichts mehr von dem schmächtigen Knaben in einem Bido übrig geblieben war, so hatte sich Abban noch weitaus auffälliger verändert.
Der ehemalige nie’Sharum war unglaublich fett geworden und wirkte beinahe so grotesk wie der Andrah . Er trug immer noch die gelbbraune Weste und Kappe der khaffit , aber darunter schimmerten ein prächtiges Hemd und Pluderhosen aus bunter Seide; um die gelbbraune, kegelförmige Kappe hatte er einen roten Seidenturban gewickelt, in dessen Mitte ein Edelstein prangte. Gürtel und Schuhe bestanden aus Schlangenleder. Er stützte sich auf eine Krücke aus Elfenbein, dessen oberer Teil in Form eines Kamels geschnitzt war, und zwischen den beiden Höckern ruhte seine Achselhöhle.
»Was veranlasst dich, zu glauben, dass du würdig genug bist,
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