Das Flüstern der Nacht
geduckter Haltung da, den Speer zum Zustoßen bereit, als der Winddämon in einem Bogen zurückkehrte.
Tapfer ist er, aber er ist auch dumm, dachte Jardir. Was will er ohne ein Netz ausrichten?
Doch als der Dämon angriff, ließ sich der Mann plötzlich auf ein Knie fallen und stach kräftig mit seinem langen Speer zu. Die mit Widerhaken verstärkte Spitze bohrte sich dicht am Schultergelenk durch die dünne Membran der Schwinge; mit einer Drehung setzte er den Speer als Hebel ein und nutzte den Schwung des Dämons so geschickt gegen ihn aus, dass er rücklings auf der Mauer landete.
Die Bestie war nicht ernsthaft verletzt, aber der Nordländer zögerte keinen Augenblick; er packte die Riemen des Schilds, der locker an seinem Arm hing, und presste die mit Siegeln versehene Oberfläche gegen die Brust des Dämons.
Bei der Berührung lösten sich magische Blitze aus den Symbolen und durchzuckten die Kreatur, die wie verrückt zappelte und schrie. Jardir verlor keine Zeit und rammte dem wehrlosen Dämon die Spitze seines Speers tief ins Auge. Die Bestie trat um sich und kreischte, doch Jardir zog seine Waffe heraus, trieb sie in das andere Auge und stocherte so lange darin herum, bis der Dämon sich nicht mehr rührte.
Der Fremde sah ihn mit vor Aufregung glühenden Augen an und sagte etwas in der Sprache des Nordens.
Jardir brach in schallendes Gelächter aus. »Du überraschst mich, Arlen, Sohn des Jeph!«, rief er und schlug ihm auf die Schulter.
Zusammen rannten sie über die Mauerkronen zu Jardirs Männern.
Überall im Labyrinth kämpften Krieger um ihr Leben, aber Jardir konnte keine Pause einlegen, um ihnen beizustehen. Wenn die Bresche nicht geschlossen wurde, würde bis zum Sonnenaufgang jeder Sharum im Labyrinth in Stücke gerissen sein.
»Verkauft eure Leben teuer!«, feuerte er die Männer an, die an ihm vorbeipreschten. »Everam sieht euch zu!«
Ein fürchterliches Gebrüll, begleitet von Schreien, hallte durch das Labyrinth und schien selbst die Mauern zum Beben zu bringen. Irgendwo hinter ihnen metzelte der riesige Felsendämon seine Männer nieder.
Überspring die Hürden, die vor dir liegen, sagte er sich. Wenn die Bresche nicht versiegelt werden kann, ist ohnehin alles verloren.
Als sie den Hof vor dem großen Tor erreichten, bot sich ihren Blicken das reinste Chaos. Alagai und dal’Sharum lagen tot oder sterbend am Boden, durchbohrt von Skorpionstacheln oder durch Zähne und Klauen zerfetzt. Den Mehnding war es gelungen, ein wenig Schutt vor dem zersplitterten Tor aufzuhäufen, aber die geschickten alagai kletterten mühelos darüber hinweg.
»Rückzug!«, donnerte Jardir, und die wenigen angeschlagenen dal’Sharum , die noch im Hof kämpften, beendeten ihre verzweifelte Gegenwehr und machten, dass sie fortkamen.
Die Schilde ineinandergehakt, stürmten Jardirs Krieger, jeweils zehn Mann neben- und hintereinander, in vollem Lauf auf die Bresche zu. Neben ihm in der ersten Reihe rannte der Nordländer und passte sich ihrem Tempo an als hätte er sein Leben lang gemeinsam mit den dal’Sharum exerziert. Obwohl er ein chin war, wusste er mit Speer und Schild umzugehen.
Die Krieger an den Flanken legten Geschwindigkeit zu, die Reihen formierten sich zu einem flachen »V«, und in dieser Anordnung konnte der Trupp hineinhuschende Sanddämonen einfangen und sie zum Tor zurückdrängen.
Es kam zu einem heftigen Zusammenstoß, als sie der einströmenden Flut von alagai begegneten, aber die Siegel auf den Schilden flammten auf, und die Dämonen wurden zurückgeworfen. Die hinteren Reihen verstärkten den Druck, und wie ein leuchtender Vorhang schoben sich die unaufhörlichen magischen Entladungen zwischen die Männer und die alagai . Langsam kämpfte sich Jardirs Hundertschaft immer näher an das Tor heran.
»Hintere Reihen!«, brüllte Jardir. Die letzten Reihen machten auf dem Absatz kehrt, richteten ihre Schilde aus und rückten vor, um zwischen den vorderen und den hinteren Reihen einen freien Raum zu schaffen, in dem die Bannzeichner arbeiten konnten. Diese Elite- dal’Sharum ließen ihre Speere fallen, schlangen sich ihre Schilde über den Rücken und holten lackierte Keramikplatten aus ihren Kampftaschen. Zwei Bannzeichner legten die Platten vor der Bresche quer über dem Hof in der richtigen Anordnung aus. Zwei weitere hoben ihre Speere wieder auf, benutzten sie wie Lineale und brachten eine Platte nach der anderen in die korrekte Fluchtlinie.
Jardir stach seinen Speer in das
Weitere Kostenlose Bücher