Das Flüstern der Nacht
Verbeugung. Jardir wählte seine drei besten Bannzeichner aus, und sie begleiteten den Fremden zu der Nische. Als alle fünf Männer fanden, dass die Siegel an den Wänden und dem Einlass halten müssten, verteilten sie die Siegelsteine auf dem Boden und bedeckten sie mit einer sandfarbenen Plane, die sich mit einem Ruck wegziehen ließ.
Und wieder musste Jardir einräumen, dass der Nordländer ihm imponierte. In Krasia galt das Bannzeichnen als eine elitäre
Kunst, die nur dama und ein paar handverlesene Krieger ausüben durften.
»Wer bist du?«, fragte er, doch der Fremde verstand ihn nicht und zuckte bloß mit den Schultern.
Sie kehrten zur vordersten Linie zurück, während der Dämon fortfuhr, gezielt jeden Zoll des Tores zu attackieren, auf der Suche nach einer Schwachstelle.
Jardir beobachtete den gigantischen alagai und verspürte einen Anflug von Angst. Aber er war der Erste Krieger und durfte es niemand anderem überlassen, die Bestie anzulocken.
Entweder ich bin der Erlöser, oder ich bin es nicht, sagte er zu sich selbst und bemühte sich, daran zu glauben. Aber er wusste, dass Inevera in anderer Hinsicht bedenkenlos log, und deshalb hielt er es für sehr gut möglich, dass sie es auch in diesem Zusammenhang tat.
Er wappnete sich innerlich, zeichnete ein Siegel in die Luft und machte einen Schritt nach vorn.
»Nein, Sharum Ka !«, schrie Hasik. »Ich bin dein Leibwächter! Lass mich den Dämon anködern!«
Jardir schüttelte den Kopf. »Dein Mut gereicht dir zur Ehre, aber diese Aufgabe kommt nur mir zu!«
Der Fremde sagte etwas und vollführte mit der Hand eine hackende Bewegung, aber um seine rätselhaften Botschaften zu entschlüsseln reichte die Zeit nicht aus. Jardir umarmte seine Ängste, wie er Schmerzen zu umarmen pflegte, und marschierte brüllend und mit dem Speer auf seinen Schild hämmernd zu dem Dämon hinaus.
Doch der alagai nahm keine Notiz von ihm, sondern setzte seine rasenden Angriffe gegen das Tor fort.
Jardir stürzte sich auf ihn und stieß der Bestie den Speer mit aller Kraft in die Kniekehle, aber der Dämon schlug nur lässig mit seinem wuchtigen Schwanz nach ihm, wie ein Pferd mit dem Schweif eine Fliege verscheuchen würde.
Geschickt tänzelte Jardir zur Seite und duckte sich, während der dornige Schwanz über seinen Kopf hinwegfegte. Als er auf seinen Speer blickte, entdeckte er, dass die Spitze abgebrochen war.
»Kamelpisse«, murmelte er, eilte zu seinen Leuten zurück und ließ sich von Hasik einen neuen Speer geben.
»Erster Krieger, sieh nur!«, schrie sein Leibwächter und streckte den Arm in eine bestimmte Richtung aus. Jardir drehte sich um und sah den Nordländer, der zu dem Dämon hinausstapfte.
»Idiot!«, brüllte er. »Was tust du da?« Doch der Mann ließ sich nicht anmerken, ob er ihn überhaupt gehört, geschweige denn den Sinn der Worte verstanden hatte. Knapp außerhalb der Reichweite des Dämons blieb er stehen und stieß einen Schrei aus.
Bei diesem Laut hörte die Kreatur sofort auf zu toben, legte den hässlichen Kopf schräg und sog schnüffelnd die Luft ein. Dann wandte sie sich dem Nordländer zu, und in ihren seltsamen Augen blitzte ein Funke des Erkennens.
»Bei Nies Blut!«, keuchte Hasik. »Der alagai kennt ihn.«
Aus dem Rachen der Bestie löste sich ein fürchterliches Geheul, dann griff sie an. Mit den Krallen ihres einen Armes schlug sie nach dem Fremden, doch der rettete sich mit einem schnellen Satz zur Seite, wirbelte herum und rannte auf die Falle zu.
»Aus dem Weg!«, donnerte Jardir, und wie ein Mann sprangen seine Krieger zurück, um die Bahn freizumachen. Gleich nachdem der Dämon vorbeigestürmt war, hetzte Jardir ihm hinterher, und sämtliche versammelten Krieger folgten ihm.
Das Labyrinth bebte unter dem Stampfen der Dämonentatzen, und er wirbelte so große Staubwolken auf, dass der Nordländer kaum noch auszumachen war. Doch solange das Monstrum brüllend weiterrannte, nahm Jardir an, dass der chin immer noch vor ihm herlief.
Zweimal bogen sie scharf um Ecken, und in dem trüben Schein der Öllampen sah Jardir, dass der Nordländer in die Nische abschwenkte.
Der Dämon folgte ihm, und die Bannzeichner sprangen aus ihren Verstecken heraus, um die Siegel aufzudecken.
Der Felsendämon kreischte triumphierend, als er glaubte, seine Beute säße in der Falle; er stürzte sich auf den Nordländer, der eine abrupte Kehrtwende vollführte und direkt auf die Bestie zu rannte.
Magische Blitze flackerten, und die
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