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Das Flüstern der Toten (German Edition)

Das Flüstern der Toten (German Edition)

Titel: Das Flüstern der Toten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Darynda Jones
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spärliche Einrichtung war absolut sauber und gepflegt.
    Ich fragte mich, ob sie mit einer Zwangsneurose zu kämpfen hatte, räusperte mich und überlegte, wie ich es am besten ansprechen sollte. Es fiel mir schwerer als gedacht. Wie brachte man jemandem bei, dass der eigene Bruder im Sterben lag? Ich entschied, mir das für später aufzuheben.
    »Ich bin wegen Reyes hier«, setzte ich an.
    Doch ehe ich fortfahren konnte, sagte sie: »Verzeihung?«
    Ich blinzelte. Hatte sie nicht verstanden? »Ich bin wegen Ihrem Bruder hier«, sagte ich noch einmal.
    Da ich die verrückte Gabe hatte, andere Menschen zu durchschauen, wusste ich sofort, dass sie log, als sie erwiderte: »Es tut mir leid. Ich habe keine Ahnung, von wem Sie reden. Ich habe keinen Bruder.«
    Wow. Warum diese Lüge? Im Geiste ging ich die möglichen Gründe durch. Allerdings hatte ich keine Zeit für Spielchen. Nicht mal für derart faszinierende. Darum beschloss ich, mit denselben Waffen zu kämpfen.
    »Reyes hat vorausgesehen, dass Sie so reagieren«, verkündete ich zufrieden lächelnd. »Er hat mir das Codewort verraten, damit Sie wissen, dass Sie unbesorgt mit mir reden können.«
    Sie runzelte die Stirn. »Was für ein Codewort?« Damit beugte sie sich vor. »Hat er doch über mich gesprochen?«
    Das war so leicht gewesen, dass ich fast ein schlechtes Gewissen hatte. »Nein«, antwortete ich reumütig, »hat er nicht. Aber jetzt haben Sie sich verraten.«
    In ihren irischen Augen flammte Zorn auf, der sich jedoch nicht gegen mich richtete. Sie war sauer auf sich selbst. Ihre eingesunkenen Schultern, ihre vor Enttäuschung schmalen Lippen, ihre gefurchte Stirn verrieten mir, was ich wissen musste: Reyes war nicht das einzige Missbrauchsopfer in der Familie.
    »Seien Sie bitte nicht wütend auf sich«, sagte ich mitfühlend. »Ich lebe von dieser Arbeit, weil ich sie gut kann.« Während ich weitersprach, betrachtete sie das Geschirrtuch in ihren Händen und umklammerte es noch fester. »Warum will Reyes, dass niemand weiß, wer Sie wirklich sind? In der Gefängnisakte findet sich kein einziges Wort über Sie. Er hat Sie niemals als Verwandte oder sonstige Kontaktperson angegeben. Auch in den Prozessprotokollen werden Sie mit keinem Wort erwähnt.«
    Nach langem Schweigen rang sie sich endlich durch, darüber zu sprechen. »Natürlich nicht. Er hat mir das Versprechen abgenommen, niemandem zu verraten, wer ich bin. Wir haben unterschiedliche Nachnamen. Niemand schöpfte Verdacht.«
    Warum, um alles in der Welt, hatte Reyes gewollt, dass sie während seiner Verhandlung nicht in Erscheinung trat? Sie hätte ihm doch als Entlastungszeugin viel mehr genutzt. »Wissen Sie, was ihm passiert ist?«, fragte ich.
    Ihr Kinn sank weiter, ihr Haar verbarg ihre Augen. »Ich weiß, dass er angeschossen wurde. Amador hat es mir erzählt.«
    »Ah. Amador hält Sie auf dem Laufenden. Dann wissen Sie also auch, dass die lebenserhaltenden Maßnahmen morgen eingestellt werden?«
    »Ja«, antwortete sie mit brechender Stimme.
    Endlich kamen wir voran, vielleicht hatte ich doch noch Erfolg. »Sie müssen dagegen angehen, Kim. Niemand sonst kann das. Anscheinend sind Sie seine einzige lebende Verwandte.«
    »Ich kann nicht«, widersprach sie und schüttelte nachdrücklich den Kopf. »Ich darf mich nicht einmischen.«
    Es verschlug mir den Atem. Entsetzt und verwirrt starrte ich sie an.
    Sie drehte das Geschirrtuch zwischen den Fäusten. »Schauen Sie mich bitte nicht so an. Sie verstehen das nicht.«
    »Offensichtlich nicht.«
    Sie schluchzte leise. »Ich musste schwören, dass ich nie wieder Kontakt zu ihm aufnehme. Er sagte, er würde mich finden, wenn er rauskommt. Deshalb bin ich in Albuquerque geblieben, aber ich besuche ihn nicht, schreibe ihm nicht und rufe ihn auch nicht an oder schicke ihm zum Geburtstag Geschenke. Das musste ich ihm versprechen«, erklärte sie mit flehendem Blick. »Ich darf mich nicht einmischen.«
    Ich konnte mir nicht vorstellen, weshalb Reyes ihr dieses Versprechen abgenommen hatte, und hatte mit solch einem Verhalten nicht gerechnet. Doch ich beschloss, sie an ihrem wunden Punkt zu treffen. Von wegen verzweifelte Situationen und so. »Kim, er hat Sie all die Jahre beschützt«, sagte ich vorwurfsvoll. »Wie können Sie da tatenlos zusehen?«
    » Beschützt ist nicht das richtige Wort«, widersprach sie hinter ihrem Geschirrtuch schluchzend.
    »Ich verstehe das nicht. Gab es … sexuelle Übergriffe?« Kaum zu glauben, wie unverschämt ich

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