Das Flüstern der Toten (German Edition)
klein beigeben, stampfte mit dem Fuß auf … bildlich gesprochen. »Gib mir wenigstens eine Chance. Du weißt, welche Möglichkeiten ich habe. Wir müssen es wenigstens versuchen.«
Schwer gebeugt, als hätte er einen Sumoringer auf den Schultern, dachte Onkel Bob über meinen Vorschlag nach. »Warten wir ab, was die Sonderkommission morgen zu sagen hat.«
»Was führst du jetzt wieder im Schilde?«, fragte Cookie, nachdem Ubie gegangen war.
»Na, du kennst mich doch«, antwortete ich und deutete grinsend auf Amber. »Nichts, womit ich nicht fertig würde.«
Amber war auf dem Sofa eingeschlafen, ihre Haare umrahmten ihre feinen Gesichtszüge. Das Mädel würde mal sämtliche Herzen brechen.
Cookie zog eine Schnute, um nicht zu grinsen, und schüttelte den Kopf. »Flirten ist Schwerstarbeit.«
»Das kannst du laut sagen«, nickte ich und ging ums Sofa herum zur Tür.
Cookie weckte Amber und schob sie über den Korridor zu ihrer Wohnung, was nicht ohne eine paar Beinahzusammenstöße mit Türrahmen und Zimmerpflanzen abging. Drüben angekommen drehte sich Cookie zu mir um und drohte: »Glaub ja nicht, ich würde dich nicht mehr darauf ansprechen, was heute vorgefallen ist.«
Oh, ja, klar, die Nahtoderfahrung! »Und glaub du ja nicht, wir würden uns nicht über deine Einstellung unterhalten«, versuchte ich abzulenken.
Sie zwinkerte mir zu und schloss die Tür hinter sich.
Dann waren wir allein. Zitternd vor Erwartung, hielt ich mich am Türgriff fest wie an einem Rettungsring. Ein flüsternder Luftzug, und schon erschien er hinter mir, umgeben von dem erdigen, elementaren Geruch. Sein Arm umfasste meine Taille, während er mit der anderen Hand die Tür schloss.
Dann zog er mich an seine Brust, und ich schmolz ihm entgegen. Es war, als würde ich ins Feuer sinken; seine Hitze versengte mich überall gleichzeitig.
»Du bist er«, sagte ich, und meine Stimme bebte stärker, als ich gehofft hatte. »Du bist am Tag meiner Geburt erschienen. Wie kann das sein?«
Ich spürte seinen heißen Mund an meinem Nacken, während er die Hand unter meinen Pulli schob und Flammen über meinen Bauch züngeln ließ. Behutsam untersuchte er die Stelle, an der seine Klinge eingedrungen war. Im hintersten Winkel meines Bewusstseins war ich froh über seine Besorgnis.
Dann kam er mit dem Mund an mein Ohr. »Dutch«, sagte er, wobei sein Atem über meine Wange strich. »Endlich.« Ich drehte mich zu ihm um, doch er wich zurück, um mein Gesicht zu mustern, und endlich erhaschte ich einen klaren, unverfälschten Blick auf das umwerfende Geschöpf namens Reyes Farrow.
Er enttäuschte mich nicht. Er war der herrlichste Mann, den ich jemals gesehen hatte. Seine schlanken Muskeln wirkten wie aus Stein gemeißelt und zugleich, als ob sie sich im nächsten Moment verflüssigen könnten. Das kaffeebraune Haar fiel ihm in die kräftige Stirn und kräuselte sich hinter einem Ohr. Die kastanienbraunen Augen, in denen goldene und smaragdgrüne Flecken funkelten, glänzten unverhohlen wollüstig. Seine vollen, männlichen Lippen waren sinnlich geteilt. In diesem Moment sah ich seine Kleidung: eine Gefängniskluft, wie Elisabeth gesagt hatte. Die aufgekrempelten Ärmel entblößten seine schlanken, muskulösen Unterarme.
Unendlich vorsichtig strich er mit den Fingerspitzen über meine Unterlippe, mit ernster Miene, wie ein Kind, das zum ersten Mal Leuchtkäfer sieht und wissen will, welcher Zauber sie im Dunkeln glimmen lässt.
Als ein Finger über meine untere Zahnreihe fuhr, schluckte ich, schloss die Lippen um die Fingerspitze und nahm den erdigen, ungewöhnlichen Geschmack seiner Haut in mich auf. Er atmete scharf ein, lehnte mit geschlossenen Augen seine Stirn an meine und schien mit sich zu ringen, als ich den Finger weiter in meinen Mund saugte. Ich wusste nicht genau, was der Auslöser war, doch plötzlich stemmte er einen Arm gegen die Tür und stieß mich stöhnend dagegen, griff mit der anderen Hand um meinen Hals und hielt mich gefangen, während er sich zu beherrschen versuchte.
Etwas Aufregenderes war mir im Leben noch nicht passiert. Mein Körper reagierte auf jede seiner Berührungen mit heftiger Erregung. Verlangen – so heiß, dass es wehtat – strömte in meinen Unterleib und breitete sich im ganzen Körper aus. Ich wollte ihn für immer, doch im Hinterkopf drängte die Frage, was geschehen würde, wenn sein Körper starb. Würde ich ihn trotzdem haben können? Würde er mir nach seinem Ableben erscheinen, oder
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