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Das Flüstern der Toten (German Edition)

Das Flüstern der Toten (German Edition)

Titel: Das Flüstern der Toten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Darynda Jones
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wusste, wann jemand starb, und vergaß niemals einen Namen. Die schiere Menge an Informationen, die in seinen Kopf strömten und die er jederzeit abrufen konnte, konnten einen gesunden Menschen in den Wahnsinn treiben, wodurch Rockets Zustand vielleicht schon hinlänglich erklärt war.
    Die Türen und Fenster der Anstalt waren schon vor langer Zeit mit Brettern vernagelt worden. Ich schlich hintenrum, während ich auf das Tappen von Rottweilerpratzen lauschte, dann glitt ich bäuchlings durch ein Kellerfenster, das ich bei jedem meiner Besuche aufstemmte. Hier musste man mich erst noch erwischen – wobei ich vermutlich ein Körperteil einbüßen würde. In einer Anstalt in Las Vegas, New Mexiko, war ich einmal erwischt worden. Dort hatte mich der Sheriff verhaftet. Vielleicht irre ich mich ja, aber ich bin fast sicher, dass meine Vorliebe für Uniformierte an dem Tag begann. Der Sheriff war nämlich ein heißer Typ. Und Handschellen legte er mir auch an. Danach war ich nicht mehr dieselbe.
    »Rocket?«, rief ich, nachdem ich kopfüber auf einem Tisch gelandet und – ziemlich eindrucksvoll – wieder auf die Beine gekommen war. Ich staubte mich ab, schaltete meine LED-Taschenlampe ein und machte mich auf den Weg zur Treppe. »Rocket, bist du da?«
    Der erste Stock war verwaist. Ich ging durch die Flure und bestaunte Abertausende in die Gipswände gekratzte Namen, dann stieg ich über die Hintertreppe in den zweiten Stock hinauf. Überall sah ich zurückgelassene Bücher und wahllos herumstehende Möbel. Die Wände waren fast flächendeckend mit Graffiti beschmiert, die von unzähligen hier gefeierten Partys kündeten – vermutlich aus der Zeit vor der Motorradgang. Die Klasse von 1983 hatte es anscheinend drauf gehabt, und Patty Jenkins machte es mit jedem.
    Ehrfürchtig betrachtete ich die vielen Nationalitäten. Es gab Namen auf Hindi und Mandarin und Arapaho und Farsi.
    »Miss Charlotte«, ließ sich Rocket hinter mir vernehmen und kicherte schadenfroh.
    Ich zuckte zusammen und fuhr herum. »Rocket, du kleiner Satansbraten!« Er jagte mir gerne einen Schrecken ein, und ich musste ihm bei jedem Besuch eine Nahtoderfahrung vorgaukeln.
    Er lachte laut und erwürgte mich fast mit seiner herzlichen Umarmung. Rocket sah aus wie eine Mischung aus einem Zottelbär und dem Pillsbury Doughboy. Er hatte ein Kindergesicht und ein verspieltes Wesen und sah in jedem nur das Gute. Ich hatte mir immer gewünscht, ihn zu Lebzeiten gekannt zu haben, bevor die Regierung ihm fast das Gehirn frittiert hatte. War er ein Schnitter wie ich gewesen? Sicher wusste ich nur, dass er vor seinem Tod Verstorbene gesehen hatte.
    Er hieß mich Platz nehmen und runzelte drollig die Stirn. »Nie kommen Sie mich besuchen. Nie.«
    »Nie?«, fragte ich augenzwinkernd.
    »Nie.«
    »Aber jetzt bin ich doch hier, oder?«
    Er zuckte schmollend die Achseln.
    »Außerdem muss ich mich bei jedem Besuch mit einem kleinen Rottweiler-Problem herumschlagen.«
    »Stimmt. Aber ich habe so viele Namen für Sie. So viele.«
    »Ich habe echt keine Zeit – «
    »Sie dürften alle nicht hier sein. Nein, nein, nein. Sie müssen alle weg von hier.« Rocket war außerdem der totale Petzer, ständig nannte er mir Namen von Leuten, die gestorben, aber noch nicht hinübergegangen waren.
    »Alles klar, Rocket, aber dieses Mal habe ich einen Namen für dich.«
    Er hielt inne und sah mich irritiert an. »Einen Namen?«
    Ich beschloss, ihm jemanden zu nennen, von dem ich wusste, dass er tot war. »James Enrique Barilla.« Das war der ermordete Junge, den man in Mark Weirs Hinterhof gefunden hatte.
    »Oh«, sagte er, plötzlich interessiert.
    Natürlich war das ein ziemlich billiger Trick von mir, aber ich musste mir Rockets Aufmerksamkeit sichern. Ich hatte nicht allzu viel Zeit. Schließlich wollte ich mich mit gewissen illegalen Handlungen versuchen, die sich nicht von selbst erledigten.
    Rocket erkannte den Namen auf der Stelle und lief zielstrebig los, wobei er unglücklicherweise ein paar Abkürzungen durch die Wand nahm. Ich hielt mit Mühe Schritt und flitzte um Ecken und durch Türen, beständig hoffend, dass der baufällige Boden meinem Gewicht standhielt.
    »Warte, Rocket. Ich komme nicht mit.«
    Dann hörte ich ihn unten an der Treppe, dann aus der Anstaltsküche, wo er in einem fort den Namen rief. Ich stolperte über einen kaputten Stuhl und ließ meine Taschenlampe fallen, die über die Stufen nach unten polterte.
    Sofort tauchte Rocket vor mir auf. »Sie kommen

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