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Das Flüstern der Toten (German Edition)

Das Flüstern der Toten (German Edition)

Titel: Das Flüstern der Toten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Darynda Jones
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nie mit, Miss Charlotte.«
    »Nie?«, fragte ich, während ich mich aufrappelte.
    »Nie.« Er packte meinen Arm und zerrte mich die Treppe hinunter. Ich konnte im Vorbeilaufen gerade noch die Taschenlampe aufheben.
    Er meinte es gut.
    Dann stoppte er. Ungeahnt abrupt. Dankbar, dass er so pummelig war, prallte ich gegen seinen Rücken und landete abermals auf dem Hintern. Normalerweise hätte sich Rocket, während ich aufstand und mir den Staub abschüttelte, vor Lachen geschüttelt, doch diesmal hatte er eine Mission. Und aufgrund vergangener Erfahrungen ließ er sich von keiner Mission mehr abbringen.
    »Hier. Hier ist es«, rief er und deutete auf einen von den tausend in den Putz gekratzten Namen. »James Enrique Barilla.«
    Ich hatte es zwar gewusst – immerhin wanderte ein Mann wegen des Mordes an ihm in den Knast – , aber ich musste mich für alle Fälle vergewissern.
    »Weißt du, wie er gestorben ist?«, erkundigte ich mich, obwohl ich die Antwort bereits kannte.
    »Wie nicht«, gab er plötzlich verärgert zurück. Ich unterdrückte ein Grinsen. »Auch nicht warum. Oder wann. Bloß dass.«
    »Wie steht’s mit wo?«, fragte ich aus schierer Hartnäckigkeit.
    Er funkelte mich an. »Sie kennen die Regel, Miss Charlotte. Regeln werden nicht gebrochen«, sagte er und wackelte warnend mit seinem Wurstfinger.
    Manchmal fragte ich mich, ob er wirklich mehr wusste und gewisse kosmische Regeln befolgte, von denen ich keine Ahnung hatte. Doch es kam mir so vor, als sei sein Vokabular ein Ergebnis jahrelanger Hospitalisierung. Und niemand stand mehr auf Regeln als Hospitalisierte.
    Ich griff nach meinem Notizblock und blätterte darin. »Okay, Rocket Man, wie steht’s mit Theodore Bradley Thomas?« Wenigstens würde ich mit der Erkenntnis abziehen, ob Mark Weirs verschwundener Neffe tot war oder noch unter den Lebenden weilte.
    Rocket senkte einen Moment lang nachdenklich den Kopf. »Nein, nein, nein«, sagte er endlich. »Seine Zeit ist noch nicht gekommen.«
    Die Erleichterung drang in meine sämtlichen Körperzellen. Nun musste ich ihn nur noch finden. Ich fragte mich, ob der Junge in Gefahr schwebte. »Weißt du, wann seine Zeit gekommen sein wird?«, fragte ich, obwohl ich auch diese Antwort kannte.
    »Nicht wann. Nur dass«, wiederholte er, während er sich abwandte und den nächsten Namen in die Wand ritzte.
    Damit war er mir erst mal entglitten. Rockets Aufmerksamkeit zu fesseln glich dem Versuch, Spaghetti mit dem Löffel zu servieren. Aber ich hatte noch einen Namen für ihn. Einen sehr wichtigen. Aus Angst, ihn laut auszusprechen, trat ich dicht an Rocket heran, dann hauchte ich: »Reyes Farrow.«
    Rocket hielt inne. Es war nicht zu übersehen, dass er den Namen kannte. Folglich war Reyes tot. Meine Hoffnung zerstob. Ich hatte mir so sehr gewünscht, dass er noch lebte.
    »Wo steht sein Name?«, fragte ich, das Brennen in meinen Augen ignorierend. Ich betrachtete die Wände, als könnte ich ihn in dem chaotischen Gekritzel entdecken, das aussah, als wär’s von einem bekifften M.C. Escher. Ich wollte ihn dringend sehen, ihn berühren, die rauen Rillen und Linien mit den Fingern nachzeichnen, die Reyes’ Namen bildeten.
    Dann bemerkte ich, dass Rocket mich anstarrte. Er hatte einen wachsamen Ausdruck in seinem Milchgesicht.
    »Was ist los, Rocket?« Ich wollte ihn an der Schulter fassen.
    »Nein«, sagte er und wich vor mir zurück. »Er dürfte nicht hier sein. Nein, Ma’am.«
    Ich schloss fest die Augen, weil ich die Wahrheit nicht sehen wollte. »Wo steht sein Name, Rocket?«
    »Nein, Ma’am, er hätte gar nicht geboren werden dürfen.«
    Ich riss die Augen auf. Etwas Derartiges hatte ich aus Rockets Mund noch nie gehört. »Ich kann nicht glauben, was du da gerade gesagt hast.«
    »Er hätte nie ein Junge namens Reyes sein dürfen. Er hätte bleiben müssen, wo er hingehört. Marsianer dürfen nicht zu Menschen werden, bloß weil sie unser Wasser trinken wollen.« Seine Augen waren auf mich gerichtet, trotzdem blickte er lange durch mich hindurch, bevor er sich wieder auf mein Gesicht besann. »Gehen Sie ihm aus dem Weg, Miss Charlotte«, sagte er dann und trat einen warnenden Schritt auf mich zu. »Gehen Sie ihm einfach aus dem Weg.«
    Ich wich nicht zurück. »Das ist aber nicht sehr nett von dir, Rocket.«
    Darauf beugte er sich zu mir und sagte mit einem rauen Flüstern: »Er ist auch nicht sehr nett, Miss Charlotte.«
    Irgendetwas, das ich nicht wahrnahm, erregte seine Aufmerksamkeit. Er

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