Das Flüstern der Toten (German Edition)
Sackgasse geführt. Da ich nun wusste, dass Teddy noch lebte, war ich dem APD gegenüber leicht im Vorteil, mit Betonung auf das Wörtchen leicht . Und von einem Vorteil zu sprechen war womöglich auch ein bisschen übertrieben.
Teddys Mutter hatte der Polizei erzählt, ihr Sohn sei nie bei ihrem Bruder ausgezogen. Und trotzdem hatte sie ihn erst als vermisst gemeldet, nachdem Mark wegen Mordes festgenommen worden war? Damit blieben, was Teddys Aufenthaltsort anging, zwei Wochen ungeklärt. Ich war vielleicht nicht die Blitzbirne der Nation, aber selbst ich konnte erkennen, dass das vorne und hinten nicht zusammenpasste.
Während ich darauf wartete, dass das schwächer werdende Licht endlich schwächer wurde und sich Dunkelheit über das Stadtviertel senkte, klappte ich mein Handy auf, um zum hundertsten Mal an dem Tag Reyes Bild eingehend zu betrachten. Und wie jedes Mal verschlug mir sein Anblick den Atem. Ich konnte es nicht fassen. Nach über zehn Jahren hatte ich ihn endlich gefunden. Ja, schon gut, im Knast, aber fürs Erste – und da ich daran gewöhnt war, Dinge zu verdrängen – schenkte ich diesem Detail einfach keine Beachtung. Der einzige Hoffnungsschimmer, auf den ich setzte, lag in der Feststellung, dass Reyes, als dieses Verbrecherfoto entstand, offenbar stinksauer gewesen war. Nicht bloß sauer, sondern stinksauer. Und Schuldige sind nicht stinksauer. Die sind entweder erleichtert, weil man sie endlich geschnappt hat, oder zermartern sich vor Sorge das Hirn. Auf Reyes traf beides nicht zu.
Ich klappte das Handy zu und widerstand dem bescheuerten Drang, das Display abzuknutschen, dann schlenderte ich über den Bürgersteig bis zum Eingang der Kanzlei Sussman, Ellery und Barber. Die breite Eichentür lag praktischerweise hinter Koniferen und Palmlilien, was meinen Einbruch beträchtlich erleichterte – den man eigentlich gar nicht so nennen konnte, denn ich hatte ja einen Schlüssel und so weiter.
Barbers Büro war ungefähr so aufgeräumt wie ein postapokalyptisches Kriegsgebiet. Ich blätterte einige Papierstapel durch, dann fand ich die Akte Weir in einem Pappkarton mit der Beschriftung »WEIR, MARK L.«. Wo sonst? Der geheimnisvolle USB-Stick war jedoch nicht darin. Barber meinte, das Ding würde auf dem Schreibtisch liegen. Lag er aber nicht. Und in der Schreibtischschublade lagen sieben Sticks, die durch nichts näher gekennzeichnet waren. Ich konnte hier nicht den ganzen Abend vertrödeln. Schließlich stand mir noch eine Beschattung bevor, die bedauerlicherweise wenig Erfreuliches versprach.
Ich überlegte, was dafür und was dagegen sprach, sämtliche USB-Sticks mitzunehmen und sie mir später genauer anzusehen. Es sprach eindeutig mehr dafür. Ich nahm mir vor, morgen noch mal einzubrechen, um sie zurückzulegen, und machte mich daran, mir die Sticks in die Hosentaschen zu quetschen. Was zu der Erkenntnis führte, dass zu viel Milchkaffee und Cheeseburger mir nicht guttaten. Was wiederum ein Wutschnauben nach sich zog, das von den Wänden meines leeren Magens widerhallte. Ich war am Verhungern.
Während ich hüpfend die beiden letzten Datensticks verstaute, ging ich im Geiste sämtliche Schnellrestaurants auf dem Weg von hier zu dem Lagerhaus durch, in dem wir uns auf die Lauer legen wollten.
»Sie sind ungefähr so unauffällig wie ein Monstertruck in einem Autosalon.«
Ich fuhr herum und sah Garrett in der Tür stehen. »Heilige Scheiße, Swopes«, rief ich und griff mir ans Herz. »Was machen Sie denn hier?«
Er schlenderte herein und betrachtete, bevor er seine Aufmerksamkeit mir zuwandte, das mondhelle Drumherum. »Ihr Onkel hat mich hergeschickt«, antwortete er mit tonloser Stimme. »Weil alle Beweise, die Sie ohne Durchsuchungsbeschluss auftreiben, vor Gericht keine Gültigkeit haben.«
Aha, nun waren wir also wieder Todfeinde. Er gab sich cool. Ich musste vor ihm auf der Hut sein, stets mit seinem Hang rechnen, einem in den Rücken zu fallen. Ich musste mit einem wachen Auge essen, schlafen und pullern gehen.
»Sagt Ihnen der Begriff Beweiskette etwas?«, fragte er.
»Vielleicht, wenn ich was drum geben würde.« Ich nahm den Karton und machte mich auf den Weg zur Tür. »Ich will bloß herausfinden, womit ich es zu tun habe, Swopes.«
»Außer mit Geisteskrankheit?«
Damit waren wir sogar wieder bei haltlosen Beleidigungen angekommen. Schön, wieder daheim zu sein.
»Ich hab nicht vor, Ihnen zu beweisen, wie gut ich als Ermittlerin bin, Swopes, oder mit Ihnen um
Weitere Kostenlose Bücher