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Das Flüstern der verlorenen Seelen: Kriminalgeschichten mit Schwester Fidelma u. a. (German Edition)

Das Flüstern der verlorenen Seelen: Kriminalgeschichten mit Schwester Fidelma u. a. (German Edition)

Titel: Das Flüstern der verlorenen Seelen: Kriminalgeschichten mit Schwester Fidelma u. a. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Tremayne
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beklagen«, erwiderte ich verstimmt.
    Er machte eine wegwerfende Handbewegung, wie um mir zu bedeuten, dass meine Gefühle ohne Belang seien. »Ich beklage mich über die Art und Weise, wie du dich über die ungelösten Fälle äußerst. Ich zitiere …« Er schaute kurzsichtig blinzelnd auf das Manuskript und las: »›Einige davon (und mitnichten die uninteressantesten) waren komplette Fehlschläge, und als solche haben sie wohl kaum Anspruch darauf, erzählt zu werden, da keine abschließende Erklärung vorliegt. Den Forscher mag ein ungelöstes Problem interessieren, doch den Gelegenheitsleser wird es gewiss nur verdrießen. Unter diesen unvollendeten Geschichten befindet sich die von Mr. James Phillimore, der in sein Haus zurückging, um seinen Regenschirm zu holen – und dann nie wieder gesehen ward.‹ Da haben wir’s!« Er funkelte mich zornig an.
    «Aber mein lieber Holmes, genauso hast du es mir berichtet. Worin liegt mein Fehler?«
    »Der Fehler liegt darin, dass du dich überhaupt zu einer Sache äußerst, ohne den Kontext zu kennen. Der Fall James Phillimore, der übrigens Colonel war, ereignete sich während meiner Studienzeit, genauer gesagt, während meines zweiten Semesters in Oxford. Es war das erste Mal, dass Professor Moriarty und ich sozusagen die Klingen kreuzten.«
    Ich staunte über seine Worte, denn mein Freund war immer außerordentlich zurückhaltend, was seine Konflikte mit James Moriarty betraf, jener finsteren Gestalt, die Holmes einerseits als Verbrecher verabscheute, aber andererseits als Genie respektierte.
    »Das habe ich nicht gewusst, Holmes.«
    »Nein, und ich hätte dir auch niemals davon erzählt, wenn du nicht die einzige Situation, in der es Moriarty gelang, mich zu überlisten, heimlich aufgeschrieben und wie ein Eichhörnchen gehortet hättest!«
    »Moriarty hat dich überlistet?« Inzwischen war ich richtig neugierig.
    »Ich weiß nicht, was daran so erstaunlich sein soll, Watson«, sagte Holmes streng. »Selbst die übelsten Schurken gewinnen gelegentlich die Oberhand.« Leise fügte er hinzu: »Besonders, wenn sie sich, wie dieser unsägliche Moriarty, die Mächte der Finsternis für ihre schändlichen Zwecke zunutze machen.«
    Ich mußte lachen, denn ich kannte Holmes’ Einstellung zu übernatürlichen Kräften. Sein Ausbruch nach der Lektüre des Briefs von der Anwaltssozietät Morrison, Morrison und Dodd, der uns zu dem Fall »Der Vampir von Sussex« führen sollte, war mir noch immer im Gedächtnis. Als ich aber den gehetzten Ausdruck auf dem Gesicht meines Freundes bemerkte, blieb mir das Lachen im Halse stecken. Holmes starrte ins Feuer, als würde er die Ereignisse von damals vor seinem geistige Auge Revue passieren lassen.
    »Das ist kein Scherz, Watson«, sagte er. »Ich hege nicht den geringsten Zweifel, dass Moriarty damals die Mächte der Finsternis zur Hilfe rief. Es war das einzige Mal, dass ich auf ganzer Linie versagt habe, dass es mir nicht gelungen ist, eine entsetzliche Tragödie zu verhindern. Die Erinnerung daran wird mich bis zu meinem Tod begleiten.«
    Holmes stieß einen tiefen Seufzer aus. Erst in diesem Augenblick schien er zu merken, dass seine Pfeife erloschen war. Er griff nach den Zündhölzern und sagte: »Drüben auf dem Tisch steht eine Flasche Hennessy. Schenk uns ein und setz dich zu mir. Jetzt kann ich dir ebensogut die ganze Geschichte erzählen. Sonst kommst du womöglich noch auf die Idee, die wenigen Fakten, die du kennst, mit deiner Phantasie auszuschmücken.«
    »Also wirklich, Holmes …«, protestierte ich, aber er fuhr fort, ohne meinen Einwand zu beachten: »Du musst mir nur versprechen, die Ereignisse, von denen ich dir jetzt berichten werde, für dich zu behalten, bis meine sterbliche Hülle zu Staub geworden ist.«
    Was die Vorgeschichte der nun folgenden Episode betrifft, so sei der geneigte Leser auf die Erläuterungen verwiesen, die ich dem Bericht »Der Zwischenfall im Kildare Club« voranstellte. Sherlock Holmes war ein Abkömmling der Holmes-Familie aus Galway und wie sein Bruder Mycroft Absolvent des Trinity College in Dublin. Im gleichen Jahr wie seinem Studienfreund Oscar Wilde wurde ihm ein Halbstipendium für Oxford zuerkannt.
    Soviel ich weiß, war der Name »Sherlock« in der Familie seiner Mutter, die ebenfalls anglo-irische Wurzeln besaß, gebräuchlich. Holmes war stets äußerst zurückhaltend, was seine Herkunft betraf, aber der aufmerksame Beobachter konnte unschwer erkennen, dass mein Freund Ire war.

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