Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Flüstern der verlorenen Seelen: Kriminalgeschichten mit Schwester Fidelma u. a. (German Edition)

Das Flüstern der verlorenen Seelen: Kriminalgeschichten mit Schwester Fidelma u. a. (German Edition)

Titel: Das Flüstern der verlorenen Seelen: Kriminalgeschichten mit Schwester Fidelma u. a. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Tremayne
Vom Netzwerk:
sei verraten, dass er sich intensiv mit den keltischen Sprachen befasste und selbst so etwas wie ein Experte auf diesem Gebiet war. In meiner Erzählung »Der Teufelsfuß« erwähnte ich Holmes’ Abhandlung über »Chaldäische Ursprünge im kornischen Zweig der keltischen Sprachfamilie«. Was ich unerwähnt ließ, war, dass die Arbeit von Fachleuten wie Henry Jenner vom Britischen Museum, dem weltweit führenden Experten für kornische Sprache, in den höchsten Tönen gelobt wurde. Es ist Holmes gelungen, einen engen Zusammenhang zwischen kornischen und irischen Verbformen nachzuweisen.
    Holmes’ Familie war in Galway wohlbekannt. Es war sein Onkel, Robert Holmes, der berühmte Kronanwalt, der in Irland das öffentliche Schulsystem einführte und damit auch den unteren Ständen Zugang zur Bildung ermöglichte. Er war eines der sieben Mitglieder der vom Herzog von Leinster zusammengestellten Bildungskommission, die in den dreißiger und vierziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts viele innovative Ideen durchsetzte.
    Diese kurze Einleitung soll dem Leser helfen, die nachfolgende Notiz, die mir Holmes im Frühjahr 1894 zukommen ließ, in einen größeren Kontext einzuordnen.
     
    Zum ersten Mal traf ich mit meinem zweitgefährlichsten Widersacher zusammen, als ich mit meinem Bruder Mycroft Holmes im September 1873 im Dubliner Kildare Street Club zu Mittag speiste. Damals war ich gerade zwanzig Jahre alt, und die Idee, eine Karriere als Privatdetektiv anzustreben, war mir noch nicht gekommen. Zu diesem Zeitpunkt war mein einziger Gedanke, dass ich in Kürze nach England reisen und mittels eines Halbstipendiums in Höhe von 95 Pfund pro Jahr – in meinen Augen ein enormer Betrag –, mein Studium am Magdalen College in Oxford fortsetzen würde.
    Das Stipendium wurde mir zuerkannt, nachdem ich am Trinity College in Dublin eine wissenschaftliche Arbeit verfasst hatte, die meine Dozenten als anerkennungswürdig erachteten. Als Student der Chemie und Botanik hatte ich mein fundiertes Wissen auf dem Gebiet der organischen Chemie größtenteils meinem Landsmann, dem bedeutenden Gelehrten Maxwell Simpson, zu verdanken. Ich hatte seine Vorträge an der Park Street Medical School eifrig verfolgt. Simpson war der erste Wissenschaftler, der Bernsteinsäure durch Trockendestillation aus Bernstein synthetisierte.
    Ich war nicht der Einzige aus meinem Jahrgang, der ein Stipendium für Magdalen College erhielt. Mein Freund Wilde, ein brillanter Altphilologe (ein Wissenschaftsbereich, der mir überhaupt nicht liegt), sollte mich als Stipendiant nach Oxford begleiten. Wilde mokierte sich ständig über meine Vorliebe für Sensationsromane und gelobte, eines Tages eine Gruselgeschichte zu schreiben, bei deren Lektüre selbst mir die Haare zu Berge stehen würden. Sie sollte von einem ominösen Bildnis handeln.
    Mein Bruder Mycroft, der, wie fast alle in Galway ansässigen Mitglieder unserer Familie, ebenfalls am Trinity College studiert hatte, war sieben Jahre älter als ich und arbeitete in der Finanzabteilung des Staatssekretärs, des zweiten Mannes in der britischen Verwaltung in Irland mit Sitz in Dublin Castle. Somit war er durchaus in der Lage, den jährlichen Mitgliedsbeitrag von zehn Pfund zu entrichten, der ihm uneingeschränkten Zugang zu dem opulenten neugotischen Gebäude ermöglichte, in dem der Kildare Street Club beheimatet war.
    Dieser Klub war Treffpunkt der männlichen Angehörigen der irischen Oberschicht. Dabei handelte es sich wohlgemerkt um die anglo-irische Elite, um die Sprosse jener Familien also, die einst aus England nach Irland entsandt worden waren, um die rebellischen Einheimischen unter Kontrolle zu bringen. Anhängern der Selbstverwaltung für Irland, Katholiken und Dissentern wurde die Mitgliedschaft verwehrt. Mit Katholiken verfuhr man allerdings nicht ganz so streng, wie der Fall von O’Conor Don, eines direkten Nachkommen des letzten irischen Hochkönigs, beweist. Auch bei dem einen oder anderen Stockkonservativen, wie etwa den Grafen von Westmeath, Granard oder Kenmare, deren Loyalität zu England außer Zweifel stand, wurde ein Auge zugedrückt.
    Armeeoffiziere waren erst ab dem Rang eines Majors zugelassen, Angehörige der Marine nur, wenn sie zumindest Kapitänleutnant waren. Angehörige der Königsfamilie, deren Beamte und der Vizekönig, der irische Repräsentant des Vereinigten Königreichs, hatten freien Zugang zum Klub.
    Mein Bruder Mycroft fühlte sich in dieser kolonialen Pracht wie ein

Weitere Kostenlose Bücher