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Das Flüstern der verlorenen Seelen: Kriminalgeschichten mit Schwester Fidelma u. a. (German Edition)

Das Flüstern der verlorenen Seelen: Kriminalgeschichten mit Schwester Fidelma u. a. (German Edition)

Titel: Das Flüstern der verlorenen Seelen: Kriminalgeschichten mit Schwester Fidelma u. a. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Tremayne
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sein trinkfreudiger Kamerad?«, drängte ich. »Wer ist das?«
    Mycroft schien meinen Kommentar zu missbilligen. »Verflixt, Sherlock, wo sonst als im Schutz seines Klubs darf ein Mann seinem Laster frönen?«
    »Jedenfalls hat er ein Laster, das er vor der Öffentlichkeit nicht verbergen kann«, bemerkte ich hämisch. »Nämlich seine extreme Eitelkeit. Die schwarzen Haare sind eindeutig gefärbt. Aber du hast meine Frage noch nicht beantwortet. Wie heißt dieser Mensch?«
    »Colonel Sebastian Moran.«
    »Noch nie gehört.«
    »Er gehört zu den Morans aus Connacht.«
    »Eine katholische Familie?«, fragte ich, denn ich wusste, dass die irische Schreibweise, Ó Mórain, »groß« bedeutete und dies der Name einer bekannten jakobitischen Familie aus Connacht war.
    »Wohl kaum«, wies mich Mycroft zurecht. »Dieser Familienzweig ist schon zu Zeiten Wilhelms III. zur Anglikanischen Kirche konvertiert. Sebastian Morans Vater, Sir Augustus Moran, Ritter des Bath-Ordens, war britischer Gesandter in Persien. Der junge Moran hat in Eton und Oxford studiert. Der Stammsitz der Familie war in der Nähe von Derrynacleigh, aber der Colonel hat ihn, soviel mir bekannt ist, beim Kartenspiel verloren. Besonders wohlhabend ist er nicht, aber er konnte genügend Geld aufbringen, um ein Offizierspatent zu erwerben, und diente beim ersten Pionierregiment in Bengalore in Indien. Dort hat er einen Großteil seiner Militärzeit verbracht und sich unter anderem als Großwildjäger einen Namen gemacht. Der ausgestopfte Königstiger draußen in der Lobby gehört zu seinen Trophäen. Man erzählt sich, dass er dem verwundeten Tier durch einen Entwässerungsgraben gefolgt ist, um es zu erlegen. Der Mann muss Nerven wie Drahtseile haben.«
    »Nerven wie Drahtseile, Eitelkeit, eine ausgeprägte Vorliebe für Glücksspiel und Alkohol«, bemerkte ich. »Eine gefährliche Mischung. Sind sie nicht ein seltsames Paar?«
    »Wie meinst du das?«
    »Ein Mathematikprofessor und ein zügelloser Offizier – was haben sie wohl gemeinsam?«
    Nachdem ich noch kurz über das Thema sinniert hatte, legte ich es ad acta. Schon in diesem jugendlichen Alter hatte ich erkannt, dass es reine Zeitverschwendung ist, zu spekulieren, wenn man die Fakten nicht kennt.
    Ich wandte meine Aufmerksamkeit den übrigen Anwesenden zu. Einige von ihnen kannte ich vom Sehen, ein paar andere hatte Mycroft mir vorgestellt. Dort drüben am Tisch speiste Lord Rosse von Birr Castle, der das größte Spiegelteleskop der Welt besaß. An einem anderen Tisch saß der dem Alkohol sehr zugetane Vicomte von Massereene und Ferrard zusammen mit dem nicht minder trunksüchtigen Lord Clonmell. Ein Stück weiter aßen vier junge Männer, die ich ohne Mühe als die Gebrüder Beresford aus Curraghmore erkannte. Der Älteste trug den Titel Marquis von Waterford. An ihrem Tisch wurde viel gelacht und gutgelaunt debattiert.
    Schließlich ruhte mein Blick auf einem älteren Herrn, der an einem Ecktisch Platz genommen hatte. Er hatte silbergraues Haar, ein rundes, rötliches Gesicht und war sehr gut gekleidet. Der Kellner umschwirrte ihn wie eine Motte das Licht. Allem Anschein nach war er eine bedeutende Persönlichkeit.
    »Wer ist das?«, fragte ich Mycroft.
    »Der Herzog von Cloncury und Straffan«, antwortete er.
    Eine der ersten Familien Irlands. Die Vorfahren des Herzogs hatten einst das Schicksal des Landes mitbestimmt. Man erzählte sich, dass ein Wort von Cloncurys Großvater genügt hatte, um den Ausgang einer Abstimmung im alten irischen Parlament zu entscheiden. Das war vor der Vereinigung Irlands mit England. Ich drehte mich um und musterte den Herzog neugierig. Der Kellner half ihm gerade aus seinem Stuhl. Er war um die siebzig, klein, kräftig gebaut und äußerst gepflegt. Sein Schnurrbart war sorgfältig getrimmt und das weiße Haar perfekt frisiert. Jede Strähne war an ihrem Platz. Er hatte eine kleine Lederschatulle dabei, etwa so groß wie eine Aktentasche. Sie war mit einem silbernen Wappen geprägt, vermutlich das Familiewappen der Concurys.
    Der Herzog ging in Richtung Tür. Im selben Augenblick stieß Professor Moriarty seinen Stuhl zurück und sprang auf. Offenbar war es zwischen ihm und dem Colonel zu einem heftigen Wortwechsel gekommen. In seiner Eile, den Speisesaal zu verlassen, wäre der Professor um ein Haar mit dem älteren Herrn zusammengeprallt. Im letzten Augenblick aber hielt Moriarty inne und ließ dem Herzog den Vortritt.
    »Der Professor hat sich mit Colonel Moran

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