Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Fluestern des Todes

Das Fluestern des Todes

Titel: Das Fluestern des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Wignall
Vom Netzwerk:
sollte.«
    »Ich hab den Typen gefunden, der deine Familie hingerichtet hat. Wir fahren jetzt zu ihm.«
    »So schnell?« Sie konnte es nicht fassen. Nach einem endlosen Sommer der Untätigkeit und Frustration hatte sie nicht damit gerechnet, dass Lucas in gut einer Woche bereits mit Resultaten aufwarten würde. Sie war sich nicht einmal sicher, ob sie geistig darauf vorbereitet war.
    »Das war einfach. Aber ich weiß noch immer nicht, wer die Morde in Auftrag gegeben hat, ich hab nur den Mann, der sie ausgeführt hat. Und der wird einen weiteren Namen nennen, und dann sehen wir weiter.«
    Sie war kurz davor, ihn zu bitten, sie zurück zum Hotel zu fahren, den Mann der Polizei zu übergeben und die ganze Sache zu vergessen. Doch gleichzeitig wollte sie diesen Mann auch sehen – das letzte Gesicht, in das ihr Bruder geblickt hatte. Sie wollte in diese Augen sehen und verstehen, was sich dahinter verbarg.
    »Wo ist er?«
    »In einem verlassenen Lokschuppen. Wäre nicht meine erste Wahl gewesen, aber der Typ, mit dem ich zusammenarbeite, hat eine etwas melodramatische Ader.«
    »Sie halten ihn dort gefangen?«
    »Ich glaube nicht, dass er freiwillig unserer Einladung gefolgt wäre.«
    »Hat er sich gewehrt?«
    »Nein, es war … Wir haben ihn einfach mitgenommen. Er heißt Vasko Novakovic, ein bosnischer Serbe. Lebt seit sieben Jahren in London und arbeitet auf eigene Faust.«
    »Hat er Ihnen bereits etwas erzählt?«
    »Ich habe noch gar nicht mit ihm gesprochen.«
    »Wird er uns denn irgendwas erzählen?«
    »Das werden wir sehen.« Er schwieg, und sie vermutete bereits, dass es eine seiner endlosen Pausen war, doch nach ein paar Sekunden fuhr er fort. »Ich lag mit meiner Vermutung übrigens daneben: Alle verfügbaren Quellen berichten übereinstimmend, dass dein Vater keine Feinde gehabt hat.«
    »Aber …«
    »Zumindest keine Feinde aus der Vergangenheit. Wer immer für die Morde verantwortlich ist, stand ihm wahrscheinlich zuletzt sehr nahe, ein verbitterter Angestellter oder … jedenfalls jemand aus seinem Umfeld.«
    Sie konnte sich nur schwer vorstellen, dass jemand, der für ihn gearbeitet hatte, ihn dermaßen gehasst haben sollte. Ein Konkurrent vielleicht – oder jemand, dem er unbeabsichtigt auf die Füße getreten war, aber niemand aus seinem direkten Umfeld. Ihr Vater war einfach nicht der Typ gewesen, der diese Art von Hass auslösen konnte. Es musste ein Fremder sein – so fremd wie der Mann, zu dem Lucas sie gerade brachte.
    »Ich glaube, Sie irren sich. Natürlich kennen wir nicht alle seine Kontakte aus der Vergangenheit, wir kennen auch nicht alle seine Konkurrenten. Denken Sie nur an all die verschiedenen Firmen, die er gegründet hat.« Sie musste an die Mappe denken, die Simon ihr gegeben hatte, und nahm sich vor, die Dossiers später im Hotel zu studieren. »Aber einen Angestellten kann ich mir als Mörder einfach nicht vorstellen.«
    »Vielleicht nicht.«
    Er zog sich wieder in sein Schweigen zurück. Diese Ränkespiele schienen ihn zu faszinieren. Auch wenn sie in Italien nicht den Eindruck gehabt hatte, fragte sich Ella inzwischen, ob ihm das Töten nicht doch Spaß machte – der Kitzel, mit dem Drücken des Abzugs ein Leben zu beenden. War der Mann, zu dem Lucas sie nun brachte, nicht aus dem gleichen Holz geschnitzt? Vielleicht hatte er seinen Job ja gar nicht kaltblütig und gleichgültig ausgeführt, sondern war in ihr Haus gestürmt, um dann die Morde wie im Rausch zu begehen – eine verführerische Mixtur aus Lust und Profit, die in der Liquidierung dieser Familie ihren Höhepunkt gefunden hatte.
    Sie fuhren durch ein industrielles Brachland und hielten dann vor einem Ziegelbau. Die Fenster waren zertrümmert, ein Teil des Daches eingefallen, davor blühten wilde Fliedersträucher – auch wenn die violetten Blüten in dieser trostlosen Umgebung arg deplatziert wirkten.
    Lucas parkte den Wagen neben einem Range Rover an der Seite des Schuppens. Nicht einmal zwanzig Meter von ihnen entfernt donnerte gerade ein Zug vorbei – ein kurzes, bedrohliches Aufbrausen, das sich aber ebenso schnell in der Entfernung verlor. Sie fragte sich, wie viele der Passagiere sie wohl gesehen hatten. Mit einem Mal begriff sie, dass sie dabei war, das Gesetz zu übertreten und zu der Person zu werden, die die Polizei insgeheim wohl immer in ihr vermutet hatte.
    Sie folgte Lucas in den Schuppen. Da Teile des Daches fehlten, war es innen taghell. Unkraut und ein verlorener Fliederbusch wuchsen inmitten von

Weitere Kostenlose Bücher