Das Fluestern des Todes
Küche, überzeugte sich, dass dort niemand war und ging dann wieder zur Tür zurück. Er lauschte auf die Geräusche des Hauses – jemand, der sich im Bett wälzte, eine knarzende Diele, Husten, leichtes Schnarchen.
Doch dann war plötzlich der Teufel los. Novokavic schrie etwas auf Serbisch – offensichtlich, um die anderen Bewohner zu alarmieren. Lucas hörte, wie Dan auf ihn einschlug und Novakovic gegen einen Tisch knallte. Kurz darauf schrie er erneut, und wieder prallte er gegen ein Möbelstück.
Lucas lauschte konzentriert in die Dunkelheit des Hauses. Und tatsächlich: Er hörte Bewegungen – was so ziemlich das Letzte war, das er in diesem Moment brauchen konnte. Die Tür zum nächsten Zimmer öffnete sich vorsichtig. Ein Mann mit übernächtigtem Gesicht sah dahinter hervor, zog sich aber gleich wieder zurück, als er Lucas bemerkte. Konnte gut sein, dass sie hier an Razzien von Polizei und Einwanderungsbehörde gewohnt waren und sich im Zweifelsfall lieber dünn machten.
Die Geräusche aber hörten nicht auf, und prompt kam der Mann erneut aus seinem Zimmer, diesmal mit einem Gegenstand in der Hand, der wie ein Messer aussah. Gegen die Lichtquelle im Zimmer konnte Lucas nur seine Silhouette ausmachen, war sich auch nicht sicher, ob es wirklich ein Messer war, erschoss ihn sicherheitshalber aber trotzdem. Der Mann ging ein, zwei Meter vor seinen Füßen zu Boden.
Aus dem ersten Stock hörte man nun panische Schreie, dann einen Schuss, der alle Schreie verstummen ließ. Selbst Novakovic hielt für einen Moment den Mund, schrie dann aber umso schriller und lauter.
Wie als verspätete Reaktion auf den Schuss rollte ein Körper die Treppe hinunter. Als er auf dem Fußboden aufschlug, wurde die Treppenhausbeleuchtung eingeschaltet. Gleichzeitig hörte man oben eine zweite Stimme, wütend, verzweifelt, aber auch mit einem jammernden Unterton: Offensichtlich hatte der Schütze gerade bemerkt, dass er den Falschen erschossen hatte.
Lucas warf einen Blick auf die beiden leblosen Körper: Es waren junge, wahrscheinlich osteuropäische Männer. Der Erste hatte ein Brotmesser in der Hand gehabt und nur eine Unterhose an, der Zweite trug Jeans. Aus einer Wunde in seinem Nacken sprudelte immer noch Blut.
Ein weiterer Schuss peitschte durchs Haus und schlug in der Wand neben der Haustür ein. Ein Mann stürmte schreiend die Treppe hinunter und feuerte wild um sich. Lucas gab einen Schuss durchs Treppengeländer ab, der seine Wirkung nicht verfehlte: Der Mann taumelte und stürzte zunächst über die Leiche am Treppenaufgang, bevor er mit bizarr verrenkten Gliedmaßen auf dem Hausflur zum Liegen kam.
Auch er war tot – ebenfalls ein junger Bursche, schlank, blass und rothaarig, nur mit Jogginghose bekleidet. Lucas trat einen Schritt vorn und sah sich den Einschuss mit Interesse an. Ein Glückstreffer: Die Kugel war durch den Unterleib eingetretenund dann anscheinend mehrfach in seinem Brustkorb abgeprallt.
Falls es noch weitere Bewohner im Haus gab, waren sie wohl zu dem weisen Entschluss gekommen, sich aus dieser Geschichte herauszuhalten. Lucas bezog wieder Position vor der Tür, die sich aber kurz darauf öffnete. Novakovic war inzwischen bekleidet und trug Handschellen, sein Gesicht und T-Shirt waren blutverschmiert. Dan hingegen sah so aus, als käme er gerade von einem Spaziergang. Seine Haare saßen perfekt, er war so entspannt und locker wie immer.
Lucas grinste ihn an. »Gab’s etwa Probleme?«
»Er konnte seine Schuhe nicht finden.« Er schaute sich im Treppenhaus um und sagte: »Allmächtiger.«
»Nur zwei gehen auf mein Konto.« Sie schauten beide Novakovic an, der von dem Schlachtfeld nicht sonderlich beeindruckt schien. Er hatte ähnliche Szenen offensichtlich schon so häufig gesehen, dass sich seine Trauer in Grenzen hielt.
Sie traten über die Leichen und gingen zum Auto. Die Straße war ruhig, in keinem der Häuser brannte Licht. Es gab keine Anzeichen dafür, dass die Schüsse die Neugier der Nachbarn geweckt hatten. Lucas setzte sich mit Novacovic auf den Rücksitz. Als sie abfuhren, zeigte sich im Osten das erste Licht des nahenden Tages.
Dan ließ Lucas in der Nähe seines Hotels aussteigen. »Ich nehm ihn mit zu mir, geb ihm was zum Frühstück – und bring ihn dann an einen sicheren Ort«, sagte er.
»Okay.« Lucas wollte noch anfügen, er solle vorsichtig sein, hielt die Warnung dann aber doch für überflüssig. Novakovic war völlig am Boden zerstört, und Lucas fragte sich
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