Das Fluestern des Todes
inzwischen, wie er es in seiner kriminellen Karriere überhaupt so weit gebracht hatte. Er wirkte wie jemand, der in den letzten sieben Jahren ständig damit gerechnet hatte, dass ihn seine dunkle Vergangenheit in Bosnien, der er zwischenzeitlich entkommen war, am Ende doch noch einholen würde.
Lucas schlief ein paar Stunden, ließ sich das Frühstück aufs Zimmer bringen und schaltete einen Nachrichtensender ein. Er wartete, ob über den nächtlichen Vorfall schon berichtet wurde, aber entweder war er noch nicht publik gemacht worden oder aber nicht brisant genug, dass ihm die überregionalen Nachrichten Aufmerksamkeit schenkten.
Novakovics Schicksal würde ebenfalls niemanden interessieren – Ella ausgenommen. Sie wollte ihn tot sehen, was Lucas ihr jedoch ausreden würde. Novakovics war ihm egal, aber er wollte Ella von den deprimierenden Erfahrungen fernhalten, die sie unweigerlich machen würde, sollte sie diesen Weg wirklich einschlagen. Doch offensichtlich wollte sie davor nicht beschützt werden. Lucas war sich nicht sicher, was sie wirklich wollte – wie weit sie sich von dem unschuldigen Mädchen entfernt hatte, das er vor drei Monaten kennengelernt hatte. Er ahnte aber bereits, dass ihm Novakovics’ weiteres Schicksal dazu aufschlussreiche Hinweise geben würde.
DREIZEHN
Simon sah sie zuerst. Sie hatte von der Treppe aus die Bar nach ihm abgesucht und erst nach dreißig Sekunden bemerkt, wie er demonstrativ mit den Armen wedelte. Sie lachte, ging die Stufen hinunter und gab ihm einen Kuss auf die Wange.
»Nun, ich kann gut nachvollziehen, warum es dir hier besser gefällt als bei mir zu Hause«, sagte er, als sie sich setzten.
Sie schaute sich um. »Es ist sehr bescheiden, ich weiß, aber zumindest sollte es reichen, bis ich was Endgültiges gefunden habe.« Der Kellner trat an den Tisch. »Einen Pussyfoot bitte. Und du, Simon?«
»Oh, nur eine Cola oder ein Mineralwasser oder so was.«
»Wir nehmen zwei Pussyfoots, du alter Langweiler.« Der Kellner lächelte und ging.
»Tut mir leid, dass es mit dem College nicht funktioniert hat. Wenn es irgendetwas gibt, das ich für dich tun kann …«
Sie wusste das Angebot zu schätzen, war sich aber auch im Klaren darüber, dass Simon ihr nicht dabei helfen konnte, ihr eigentliches Problem zu lösen.
»Danke. Um das gleich festzuhalten: Ich bin nicht ins Hotel gezogen, weil es mir bei dir und Lucy nicht gefallen hätte. Es war einfach an der Zeit, mein Leben wieder in den Griff zu bekommen und auf eigenen Füßen zu stehen.«
Er nickte verständnisvoll. »Willst du denn irgendwann noch mal zurückgehen? Aufs College, meine ich.«
»Vielleicht nächstes Jahr. Mal sehen, wie es mir dann geht.« Der Kellner brachte ihnen eine Schale mit Snacks. Sie nahm sich eine Mandel. »Irgendwie trage ich zu viel Ballast mit mir herum, um einfach so zu studieren.«
»Vielleicht sieht’s im nächsten Jahr ja schon wieder anders aus.« Die Drinks kamen, und Simon schaute leicht pikiert, weil die Gläser und ihr Inhalt doch etwas zu extravagant für seinen Geschmack waren.
Sie lachte. »Da ist kein Alkohol drin. Versuch einfach mal.«
Er zog am Strohhalm und musste ihr recht geben: »Ja, nicht übel.« Doch wirklich anfreunden konnte er sich noch immer nicht damit: Allein das Aussehen des Drinks schien partout nicht in sein Weltbild zu passen. »Also, da ich’s für keine gute Idee halte, dass du jetzt nur Däumchen drehst, hab ich dir ein paar Hausaufgaben mitgebracht.« Er sah sich um, bückte sich dann und holte eine Mappe aus der Aktentasche, die er neben den Stuhl gestellt hatte. Sie hatte ihn oder ihren Vater nie mit einer Aktentasche gesehen – und irgendwie passte sie nicht ins Bild. Sie fragte sich, ob es wirklich seine eigene war, oder ob er sie sich für diesen Anlass geliehen hatte. »Das sind Dossiers zu einigen der Firmen, die sich im Familienbesitz befinden. Wenn du sie dir eines Tages mal an Ort und Stelle anschauen möchtest, um besser zu verstehen, was dort vor sich geht – kein Problem.«
»Alles zu seiner Zeit. Ich bin durchaus interessiert, und ich werde mir die Mappe auch anschauen, aber …«
»Ich weiß, ich verstehe. Du musst ja nicht gleich voll einsteigen. Aber es kann nicht schaden, dass du einen Überblick hast – nur für den Fall …«
In ihrem Kopf führte sie seinen Satz zu Ende – nur für den Fall, dass mir etwas zustößt . »Glaubst du denn, dass wir noch immer in Gefahr sind?«
»Nein!« Seine Reaktion war fast schon
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