Das Flüstern des Windes (German Edition)
hielten. Für den Auftrieb sorgten große Gasballons, die wie kleine Planeten über dem Schiff hingen.
Die Peitschenhiebe und die Schreie der Gequälten waren weit zu hören gewesen und eine beklemmende Furcht, die aus der Urzeit der Menschheit zu kommen schien, hatte sich über ihn und seine Männer gelegt.
Auf ein Hornsignal ließ der Feind lange Seile zu Boden fallen, an denen sich mit affengleicher Geschicklichkeit die N’Guur, das Söldnervolk der Omraks, herabließen. Omraks selbst nahmen nur selten an kriegerischen Handlungen teil. Zumeist überließen sie es den aus der Welt Sork stammenden N’Guur, den Feind zu zerschmettern und die Sklaven für sie einzufangen.
Djoran hatte im Laufe seines Kriegerlebens viele von den Barbaren getötet, aber selbst heute noch, nach so vielen Jahren, kroch ein eiskalter Finger seine Wirbelsäule hoch, wenn er an die mit weißen Ringen bemalten dunklen Gesichter dachte.
N’guur erreichten selten eine Größe von über fünf Fuß, aber ihre breiten Schultern mit den bis zu den Knien reichenden kräftigen Armen, machten sie zu gefährlichen, ausdauernden Kämpfern, die weder Furcht noch Niederlagen kannten.
Obwohl sie nur mit Pfeil und Bogen, Messern und geschliffenen Steinäxten bewaffnet waren, bedeutete eine Schlacht gegen sie die Hölle auf Erden. N’Guur kämpften bis zum Tod, keine noch so schwere Verwundung konnte ihre Angriffslust brechen, und wenn sie ihre Waffen verloren, griffen sie ihre Gegner mit bloßen Händen an oder versuchten, dem Feind mit ihrem raubtierähnlichen Gebiss die Kehle zu zerreißen.
In über zwanzig Schlachten war seine Truppe nie siegreich gewesen. Oft hatten sie tapfer gekämpft und dem Feind schwere Verluste zugefügt, aber am Ende war immer Flucht oder geordneter Rückzug das einzig verbleibende Mittel gewesen, dem Tod zu entkommen.
Djoran spuckte mit einem wütenden Zischen ins feuchte Gras. Die Erinnerung hatte den Anblick gefallener Kameraden und die Schreie der Verwundeten in ihm wachgerufen. Ohne dass er es bemerkte, begann er seine juckende Narbe zu reiben.
»Wie heißt diese Stadt?«, riss ihn Karems Stimme aus den Gedanken.
»Das ist Melwar.«
»Was ist das dort drüben?« Die kleine Hand deutete auf den Steinkreis.
»Das ist ein Dimensionstor.« Als Djoran das Unverständnis in den Augen seines Sohnes sah, fügte er hinzu: »Dieses Tor ist durch Magie erschaffen worden. Es verbindet unsere Welt mit der Waldwelt Vern. Vern ist eine sehr große Welt, die vollkommen von gigantischen Bäumen, die bis in den Himmel reichen, bedeckt ist. Die Menschen dort sind kleiner als wir und haben eine braune Hautfarbe. Ihre Augen sind rot, da sie im ständigen Halbdunkel des Waldes leben, der fast kein Licht durchlässt. Sie verlassen nie die oberen Schichten der Bäume. Man sagt, dass selbst ihre Häuser und Hütten auf Ästen errichtet sind.«
»Bist du schon einmal dort gewesen, Vater?«
Djoran lachte hell auf. »Nein! Es ist so gut wie unmöglich, Vern zu betreten. Selbst das Dimensionstor ihrer Welt befindet sich auf einem Baum. Da man dort am Tag die Sonne und in der Nacht die Sterne nicht sehen kann, würde man sich hoffnungslos im dichten Grün verirren. Es gibt weder Straßen noch Wege, auf denen man reisen könnte.«
»Aber woher weißt du das dann alles?«
Der ehemalige Krieger legte seine große Hand auf die Schulter des Kindes.
»Die Menschen von Vern treiben regen Handel mit unserer Welt. Ihre Abgesandten bringen uns kostbare, glänzende Felle von Tieren, die es bei uns nicht gibt. Ihre Kräuter sind gute Medizin und ihre Gewürze werden in allen Welten geschätzt, aber berühmt ist Vern durch seine Duftstoffe geworden, die sie aus seltenen Blüten gewinnen. Wenn wir Glück haben, sehen wir heute einen ihrer Händler auf dem Markt von Melwar.«
Karem lächelte glücklich.
Nachdem die Familie wochenlang durch die Waldgebiete gezogen war und jede Nacht auf dem harten Boden geschlafen hatte, freuten sich nun alle darauf, Unterkunft in einem der zahlreichen Gasthäuser zu finden. Die Geschäfte waren in letzter Zeit für Djoran schlecht gelaufen. Die Dörfer des Waldes waren verarmt und so konnte er nur wenig Handel treiben. Einzig seine Kunst als Schleifer hatte für ein bescheidenes Auskommen gesorgt, da viele Holzfäller ihre stumpfen Äxte ihm brachten, denen er für ein Kupferstück die alte Schärfe zurückgab.
6.
Eine Stunde später hatten sie den langen, steilen Weg hinter sich gebracht und
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