Das Flüstern des Windes (German Edition)
konnte, um zu bezahlen, flog die Tür auf und mehrere Soldaten in schwarzen Rüstungen stürmten in den Raum. Der Anführer, ein Mann mit rotem Umhang, dessen Gesicht aber von einem Visier verborgen blieb, hatte sein Schwert blankgezogen. Breitbeinig stand er da.
»Ich habe gehört, dass hier Reden gegen unseren Herrscher geschwungen werden«, bellte er drohend. »Wirt, was weißt du davon?«
»Ich ... , Herr? Nichts! Ich weiß nichts«, antwortete der Dicke, aber seine unruhigen Augen wanderten in Richtung des Redners, ohne dass er es bemerkte.
Der Kopf des Offiziers fuhr herum. Alle im Raum spürten seinen forschenden Blick. Die meisten Männer senkten den Kopf, nur wenige ließen sich nicht beeindrucken. Auch der Stämmige, der kurz zuvor noch lauthals auf den Fürsten geschimpft hatte, war ernüchtert in sich zusammengesunken.
»Ist noch jemand hier, der seine Meinung sagen möchte? Ich bin bereit ihm zuzuhören!«, meinte der Offizier verächtlich.
Plötzlich flog ein Stuhl krachend gegen die Wand. Der schwarzhaarige Krieger war mit Vehemenz aufgesprungen.
»Ja«, donnerte seine Stimme. »Ich habe eine Meinung über dieses Pack!«
»Wer bist du?«
»Mein Name ist Lor!«
»Du siehst wie ein Krieger aus.«
Ein höhnisches Lächeln glitt über das Gesicht des jungen Mannes, als er antwortete: »Ich war ein Krieger, ein besserer, als du je sein wirst.«
»Dann solltest du wissen, dass man den Herrschern Achtung zollen muss.«
»Herrscher? Sagtest du Herrscher? Ich nenne diese Menschen Pack, Rattenpack!« Die Faust des Kriegers donnerte in seine zweite geöffnete Hand. »Ich habe dem König von Denai in sieben Schlachten treu gedient und tapfer für ihn gekämpft. Zweimal wurde ich verwundet!«
»Und?«
Aber der zornige Mann ließ sich nicht irritieren. »Ich habe an der Schlacht in der Saar-Ebene teilgenommen.« Ein Raunen ging durch die Schenke. In dieser berühmten Schlacht hatten Canais Truppen einen zehnfach überlegenen Gegner vernichtend geschlagen. Von den ursprünglich fünftausend Mann hatten nur etwa dreihundert überlebt. Selbst der Offizier schien jetzt beeindruckt, denn er schwieg. »Und was war der Dank des Königs für meine Tapferkeit? Als ich heimkehrte, hatten die Geldeintreiber Canais den Hof meines Vaters beschlagnahmt, weil er seine Steuerschuld nicht bezahlen konnte. Canai verlangt inzwischen die Hälfte von allem, damit er seine kostspieligen Kriege finanzieren kann, den Bauern bleibt nicht genug zum Leben. Mein Vater hat sich aufgehängt, er war zu alt, um noch einmal von vorn zu beginnen, und meine Mutter ist an gebrochenem Herzen gestorben.«
Der Krieger zog sein Schwert aus der Scheide. Schimmernder Stahl glänzte im Licht der Petroleumlampen wie flüssiges Gold.
»So, nun kennst du meine Geschichte. Wenn du der Meinung bist, ich habe unrecht, wenn ich sage, dass alle Adligen Pack sind, dann sei bereit zu sterben.«
Die Männer des Fürsten rückten näher. Alle hielten nun ihre Waffen in den Händen.
»Du scheinst ein aufrechter Mann zu sein«, sagte der Offizier mit leiser Stimme. »Trotzdem kann ich nicht zulassen, dass du so über den Fürsten und unseren König sprichst.«
»Zeig mir dein Gesicht!«, verlangte der Krieger.
Langsam nahm der Offizier den Helm ab. Ein markantes Gesicht mit blondem, abgestuftem Haar kam zum Vorschein. In der Kneipe hielten alle, die ihn erkannten, die Luft an. Dies war Ronder, der Sohn des Fürsten.
Unbeachtet davon fixierten sich die beiden Männer.
»Du wolltest mein Gesicht sehen, es wird der letzte Anblick deines Lebens sein«, meinte Ronder traurig.
Mit einem gellenden Kampfschrei stürmte ihnen Lor entgegen. Er starb innerhalb von Sekunden. Die Übermacht war einfach zu groß.
Der Mann, der die Schlacht in der Saar-Ebene überlebt hatte, verblutete in einer dreckigen Spelunke. In seinem schwarzen Haar hatten sich die Sägespäne verfangen, die den Boden bedeckten, um verschüttetes Bier aufzusaugen, aber sein Gesicht wirkte entspannt und ein friedliches Lächeln lag um seine Mundwinkel.
Ronder starrte stumm auf ihn herab. Er hatte den tödlichen Hieb ausgeführt. Die starren Augen schienen zu ihm aufzublicken und ihn fragend anzusehen. Zum ersten Mal in seinem Leben verfluchte Ronder die Tatsache, dass er als Sohn des Fürsten geboren worden war und diesen Mann hatte töten müssen.
Dieser Krieger hatte ein besseres Ende verdient. Nun lag er in einer sich langsam ausbreitenden Blutlache zwischen Erbrochenem und stinkenden
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