Das Flüstern des Windes (German Edition)
für das Frühstück in Gang zu bringen.
Crom hatte vor lauter Aufregung seine Unterlippe zurückgezogen und Lelina erschrak heftig, als sie die mächtigen Hauer aus dem Mund hervorragen sah.
»Was ist los, Crom?«, wollte Karem wissen.
»Ich habe gefunden Zeichen von Ork. Mein Stamm. Schwarzschädel. Sie sind nicht weit. Vielleicht ein Tag vorher an dieser Stelle gewesen. Zeichen sagt, in welche Richtung mein Stamm gegangen ist. Ich muss gehen!«
Karem sah seinen langjährigen Freund ernst an. Er hatte immer gewusst, dass dieser Augenblick kommen würde, aber nun, da die Trennung bevorstand, presste eine unsichtbare Faust sein Herz zusammen. Er und Crom hatten so vieles gemeinsam erlebt, viel Leid, aber auch manches Gutes miteinander geteilt. Das riesige Wesen war zu seiner Familie geworden, dass Crom ihn nun verlassen würde, erschütterte die Grundfesten seiner Seele.
Lange standen sich die ungleichen Freunde gegenüber. Die roten Augen des Orks suchten Karems Blick. Er sah die gleiche Trauer, die auch er empfand, aber Crom konnte und wollte nicht unter Menschen leben und ebenso wenig war es möglich, dass Karem mit ihm ging, da er Lelina versprochen hatte, ihr bei der Suche nach ihrem Vater zu helfen.
Crom trat näher. Seine gewaltigen Arme umschlossen Karem sanft.
»Du bist mein Bruder. Ich danke dir, dass du mich nach Hause gebracht hast.«
»Ich werde dich niemals vergessen!«, sagte Karem leise.
»Crom wird dich auch nicht vergessen. Wenn du Hilfe brauchst, geh in die Wälder, suche die Zeichen der Schwarzschädel, und Crom wird mit dir gehen.«
»Danke, mein Freund!«
Ohne ein weiteres Wort wandte sich der Ork um, packte seine Ausrüstung zusammen und verschwand mit großen Schritten in der Dunkelheit des Waldes.
Karem saß mit untergeschlagenen Beinen auf dem vom Morgentau feuchten Boden. Als er Crom eine Weile später brüllen hörte, glitt ein Lächeln über sein Gesicht.
Sein Freund hatte heimgefunden.
Karems Stimmung verdüsterte sich nach Croms Weggang zusehends. Seit drei Tagen marschierte er Lelina voraus. Er hielt den Kopf gesenkt und beachtete sie kaum. Nur noch selten sprach er mit ihr. Bei jeder Rast schlang er sein Essen hinunter, wickelte sich in seine Decke und war kurze Zeit später eingeschlafen.
Lelina lag dann noch stundenlang wach. Oft weinte sie leise. Sie sehnte sich nach seiner Nähe, nach einer Geste oder einer zärtlichen Berührung, aber Karem lebte nur noch in der Welt seiner Gedanken.
Manchmal hörte sie Karem im Schlaf stöhnen, dann wusste sie, dass ihn seine Träume wieder in die Arena verschleppt hatten. Karem sprach niemals über das, was bei den Kämpfen vorgefallen war, und sie wagte nicht, ihn danach zu fragen. Auch der Grund, warum er sie freigekauft hatte, blieb ihr ein Rätsel. Offensichtlich empfand er nur so etwas wie Verantwortung für sie, darüber hinaus schien sie ihm vollkommen gleichgültig. Sie dagegen liebte ihn mit der Kraft ihres ganzen Wesens.
Bei ihrer ersten Begegnung in der Gladiatorenschule hatte ihr Herz bis zum Hals geschlagen, und die Nacht mit ihm war trotz seiner Unerfahrenheit ein Wendepunkt in ihrem Leben gewesen. Zum ersten Mal seit langer Zeit hatte sie sich wieder geborgen gefühlt. Als sie von Pinius erfahren hatte, dass Karem zurück in die Arena gezogen war, um den Kaufpreis für sie zu erkämpfen, war aus diesem Gefühl Liebe geworden. Er hatte sein Leben unzählige Male für sie riskiert und nun behandelte er sie, als sei sie gar nicht vorhanden.
Wenn sie in seine Nähe kam, suchte er einen Vorwand, um wieder Distanz herzustellen. Gespräche mied er vollkommen, und außer bei ein paar geknurrten Befehlen hörte sie seine Stimme überhaupt nicht mehr. So konnte es nicht weitergehen. Sie musste mit ihm sprechen.
Karem kam aus dem Wald zurück. Unter seinen Armen trug er Feuerholz, das er vorsichtig zu einem Haufen aufschichtete. Mit einem Feuerstein und etwas Zunder erweckte er eine kleine Flamme zum Leben, die er unter den Brennholzstapel hielt. Bald darauf zuckten gelbe Feuerzungen in die aufkommende Dunkelheit. Das Knistern der Holzscheite erfüllte die Stille und feurige Funken stoben zum Nachthimmel, an dem die ersten Sterne leuchteten.
Lelina hatte einen kleinen Eisenkessel mit Wasser aus einem nahen Bach gefüllt, den sie vorsichtig in das Feuer stellte. Aus einem Lederbeutel schüttelte sie zwei Portionen Haferflocken und etwas Trockenfleisch in das Kochwasser.
Sie spürte Karems Blicke in ihrem Rücken,
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