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Das Foucaultsche Pendel

Das Foucaultsche Pendel

Titel: Das Foucaultsche Pendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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wie in einem öffentlichen Theater, wo man Tragödien und Komödien aufführt.
    Robert Fludd, Utriusque Cosmi Historia, Tomi Secundi Tractatus Primi Sectio Secunda, Oppenheim (?) 1620 (?), p. 55
    Wir kamen zur Villa — Villa nur sozusagen: es war ein Landhaus mit herrschaftlichem Oberstock, aber unten lagen die großen Kellerräume, in denen Adelino Canepa — der aufmüpfige Halbpächter, der Onkel Carlo bei den Partisanen denunziert hatte — den Wein aus den Gütern der Familie Covasso gekeltert hatte. Man sah, daß es seit langem unbewohnt war.
    In einem kleinen Häuschen nebenan lebte noch eine Alte, sagte uns Belbo, die Tante von Adelino — die anderen seien längst alle gestorben, die Cavassos ebenso wie die Canepas, nur noch die Hundertjährige sei übriggeblieben, mit ihrem Gärtchen, ihren vier Hühnern und einem Schwein. Das Land sei verkauft worden, um die Erbschaftssteuer zu bezahlen, oder die Schulden, wer könne das heute noch wissen. Er ging hin und klopfte an die Tür des Häuschens, die Alte erschien und brauchte ein Weilchen, bis sie den Besucher erkannte, dann brach sie in große Ehrbezeigungen aus. Sie wollte uns alle zu sich hereinbitten, doch Belbo stoppte ihren Wortschwall, nachdem er sie umarmt und getröstet hatte.
    Wir betraten die Villa, und Lorenza stieß kleine Freuden-schreie aus, als sie Treppen, Flure und schattige Zimmer mit alten Möbeln entdeckte. Belbo blieb bei seinem Understate-ment und murmelte nur, jeder habe eben das Donnafugata, das er sich leisten könne, aber er war sichtlich bewegt. Er komme dann und wann her, sagte er, nur leider sei es recht selten.
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    »Aber man kann hier sehr gut arbeiten, im Sommer ist es frisch, und im Winter schützen die dicken Mauern vor Kälte, und es gibt überall Öfen. Natürlich, als ich klein war, damals im Krieg, als wir evakuiert waren, da wohnten wir nur in den zwei Zimmern dort am Ende des großen Flurs. Jetzt hab ich den herrschaftlichen Flügel in Besitz genommen. Ich arbeite hier im Arbeitszimmer von Onkel Carlo.« Er zeigte uns einen schönen alten Sekretär, so einen mit wenig Platz zum Ablegen von Papieren, aber mit vielen Schubladen und Ge-heimfächern. »Hier oben könnte ich Abulafia nicht gut auf-stellen«, sagte er. »Aber die wenigen Male, wenn ich hier raufkomme, schreibe ich gern mit der Hand, wie früher.« Er deutete auf einen majestätischen Wandschrank. »Da drinnen, merkt euch das, für wenn ich tot bin, da drinnen ist meine ganze literarische Produktion aus der Jugendzeit, die Gedichte, die ich mit sechzehn geschrieben habe, die Skiz-zen zu einer Familiensaga in sechs Bänden, die ich mit achtzehn verfaßte... naja und so weiter...«
    »Herzeigen, herzeigen!« rief Lorenza, klatschte in die Hän-de und lief katzengleich zu dem Schrank.
    »Halt«, sagte Belbo. »Da gibt’s nichts zu sehen. Nicht mal ich selber schaue da noch rein. Und wenn ich tot bin, werde ich kommen und alles verbrennen.«
    »Dies hier ist sicher ein schöner Ort für Gespenster, hoffe ich«, sagte Lorenza.
    »Jetzt schon. Zu den Zeiten von Onkel Carlo nicht, da war’s hier sehr heiter. Es war idyllisch, georgisch im Sinne Vergils. Heute komme ich extra deswegen her, wegen dieser bukolischen Stimmung. Es ist schön, am Abend zu arbeiten, wenn drunten im Tal die Hunde bellen.«
    Er zeigte uns die Zimmer, wo wir schlafen sollten — ich, Diotallevi und Lorenza. Lorenza sah sich in ihrem Zimmer um, befühlte das alte Bett, auf dem eine große weiße Decke lag, beschnupperte das Laken und sagte, sie komme sich vor wie bei Großmuttern, weil es so nach Lavendel rieche. Belbo widersprach, das sei nur die Feuchtigkeit, die so rieche, Lorenza meinte, das mache nichts, und dann, an die Wand gelehnt, die Hüften und den Unterleib leicht vorgestreckt, als müßte sie den Flipper besiegen, fragte sie: »Aber schlafe ich hier allein?«
    Belbo schaute in eine andere Richtung, aber da standen 386
    wir, er schaute wieder in eine andere Richtung, dann wandte er sich zur Tür und sagte: »Darüber sprechen wir noch. Auf jeden Fall hast du hier ein Refugium ganz für dich allein.«
    Diotallevi und ich gingen hinaus, doch wir hörten, wie Lorenza ihn fragte, ob er sich wegen ihr schäme. Er antwortete, wenn er ihr das Zimmer nicht gegeben hätte, hätte sie ihn gefragt, wo er wohl glaube, daß sie schlafen solle. »Ich habe den ersten Schritt getan, so hast du keine Wahl«, sagte er.
    »Schlaufuchs!« antwortete sie. »Dann schlafe ich eben in meinem

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