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Das Foucaultsche Pendel

Das Foucaultsche Pendel

Titel: Das Foucaultsche Pendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Sekte hinzu. Eine kürzlich gegründete.«
    Mir fiel die seltsame Frage von De Angelis ein, die er mir am Ende unseres letzten Gesprächs gestellt hatte: Ob ich schon einmal von einer Gruppe namens Tres gehört hätte.
    Und so sagte ich: »Tres.«
    »Was ist das?« fragte Belbo.
    »Wenn es ein Akrostichon ist, muß sich darunter ein Text verbergen«, meinte Diotallevi. »Sonst hätten meine Rabbiner nicht das Notarikon praktizieren können. Schauen wir mal... Templi Resurgentes Equites Synarchici. Wie klingt das?«
    Der Name gefiel uns, und so setzten wir ihn ans Ende der Liste.
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    »Nach all diesen Geheimbünden war es gar nicht so leicht, noch einen weiteren zu erfinden«, sagte Diotallevi in einem Anfall von Eitelkeit.
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    Wollte man den dominanten Charakter der fran-
    zösischen Freimaurerei des 18. Jahrhunderts mit einem Wort definieren, so würde nur ein einziges passen: Dilettantismus.
    René Le Forestier, La Franc-Maçonnerie Texplière et Occultiste aux XVIIIe et XIXe siècle, Paris, Aubier, 1970, 2
    Am nächsten Abend luden wir Agliè zu Pilade ein. Obwohl die neuen Kunden der Bar zu Jackett und Schlips zu-rückgekehrt waren, die Anwesenheit unseres Gastes, mit seinem dunkelblauen Nadelstreifenanzug und seinem schneeweißen Hemd, die Krawatte mit einer goldenen Nadel festgesteckt, erregte doch einiges Aufsehen. Zum Glück war es bei Pilade um sechs Uhr abends noch ziemlich leer.
    Agliè verwirrte Pilade mit der Bestellung eines französischen Marken-Cognacs. Natürlich gab es ihn, aber er thronte hoch oben auf dem Bord hinter dem Zinktresen, ungeöffnet vielleicht seit Jahren.
    Während er sprach, betrachtete Agliè das Getränk in seinem Glas gegen das Licht um es dann mit den Händen zu wärmen, wobei er aus seinen Ärmeln goldene Manschetten-knöpfe in vage ägyptischem Stil aufblitzen ließ.
    Wir zeigten ihm unsere Liste und sagten, wir hätten sie aus den Manuskripten der Diaboliker zusammengestellt.
    »Daß die Templer mit den traditionellen Dombauhütten zusammenhingen«, begann er, »das heißt mit den Logen der Steinmetzen, die sich auf den Bau des Salomonischen Tempels zurückführten, ist sicher. So sicher, wie daß sich diese Logenbrüder auf Hiram beriefen, den Architekten des Tempels, der einem mysteriösen Mord zum Opfer gefallen war, weshalb sie ihn zu rächen gelobten. Nach der Verfolgung durch Philipp den Schönen sind gewiß viele Tempelritter in jene Bauhandwerkerbünde geströmt, um den Mythos der Rache für Hiram mit dem der Rache für Jacques de Molay zu verschmelzen. Zu Beginn des achtzehnten Jahrhunderts gab 511
    es in London noch echte Bauhütten, sogenannte operative oder Werklogen, doch allmählich kamen, angelockt von ihren traditionellen Riten, immer mehr gelangweilte, wenngleich hochgeachtete Aristokraten hinzu, und so verwandelte sich die operative oder Werkmaurerei, die eine Angelegenheit echter Maurer gewesen war, in die spekulative Maurerei, die eine Geschichte symbolischer Maurer wurde.
    Angeregt vom ersten Großmeister der Englischen Großloge, John Theophilus Desaguliers, einem Freund Newtons, verfaßte der protestantische Pastor Anderson die Constitutions für eine Loge von Maurerbrüdern im Geist des Deismus und begann, von den Maurerbrüderschaften als von viertausend Jahre alten Zünften zu sprechen, die auf die Erbauer des Salomonischen Tempels zurückgingen. Dies sind die Grün-de für den freimaurerischenMummenschanz mit Schürze, Winkelmaß, Zirkel und Hammer. Doch vielleicht gerade deshalb wurde die Freimaurerei nun Mode, attraktiv für die Adligen wegen der Stammbäume, die sie durchblicken ließ, aber mehr noch für die Bürger, denen sie nicht nur erlaubte, von gleich zu gleich mit den Adligen zu verkehren, sondern auch den Degen zu tragen. Elend der entstehenden modernen Welt: die Adligen brauchen ein Milieu, in dem sie sich mit den neuen Kapitalproduzenten treffen können, und diese — wen wundert’s? — suchen dringend nach einer Legitimation.«
    »Aber die Templer kamen doch, scheint’s, erst später ins Spiel.«
    »Der erste, der einen direkten Zusammenhang mit den Templern herstellte, war Ramsay, von dem ich jedoch lieber nicht sprechen möchte. Ich fürchte, er war von den Jesuiten inspiriert. Aus seiner Predigt ging dann die schottische Ab-art der Freimaurerei hervor.«
    »Schottisch in welchem Sinne?«
    »Der schottische Ritus ist eine deutsch-französische Erfindung. Die Londoner Großloge hatte drei Initiationsgrade: Lehrling, Geselle

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