Das Foucaultsche Pendel
Herzogin von Devonshire eine Szene machen, weil sie sich für Maria Magdalena hielt...«
»Aber all diese Willermoz und Martines de Pasqually, die eine Sekte nach der anderen gründeten...«
»Pasqually war ein Abenteurer. Er vollführte Geisterbe-schwörungen in einer geheimen Kammer, die Engel erschienen ihm in Gestalt von Leuchtspuren und hieroglyphischen 514
Zeichen. Willermoz hatte ihn ernst genommen, da er ein Enthusiast war, ehrlich, aber naiv. Er war fasziniert von der Alchimie, er dachte an das Große Werk, dem die Auserwählten sich widmen müßten, um den Verbindungspunkt der sechs edlen Metalle zu finden durch Erforschung der Maße in den sechs Lettern des ersten Namens Gottes, den Salomo seinen Erwählten kundgetan hatte.«
»Und weiter?«
»Willermoz gründete viele Obedienzen und trat in viele Logen gleichzeitig ein, wie es damals üblich war, stets auf der Suche nach einer definitiven Enthüllung und stets in der Furcht, sie könnte sich immer woanders ereignen, wie es in Wahrheit ja auch geschah — und dies ist vielleicht die einzige Wahrheit... So schloß er sich den Élus Cohens von Pasqually an. Doch 1872 verschwand Pasqually, fuhr übers Meer nach Santo Domingo und ließ alles im Stich. Wieso verdrückte er sich? Ich habe den Verdacht, daß er in den Besitz eines Geheimnisses gelangt war, das er mit niemandem teilen wollte. Jedenfalls verschwand er dann in Übersee so obskur, wie er’s verdient hatte, Friede seiner Seele...«
»Und Willermoz?«
»In jenen Jahren waren alle erschüttert vom Tod Swedenborgs, eines Mannes, der den kranken Okzident vieles hätte lehren können, wenn der Okzident ihm Gehör geschenkt hätte, doch inzwischen verrannte sich das Jahrhundert immer mehr in den Wahn der Revolution, um die Ambitionen des Dritten Standes zu befriedigen... Nun, und genau in jenen Jahren hörte Willermoz von der Strikten Observanz des Möchtegerntemplers von Hund und war fasziniert. Es war ihm gesagt worden, daß ein Templer, der sich öffentlich als solcher erklärt, indem er eine öffentliche Templervereini-gung gründet, kein Templer ist, aber das achtzehnte Jahrhundert war eine Epoche großer Gläubigkeit. Kurz, Willermoz probierte zusammen mit von Hund die verschiedenen Bündnisse durch, die hier auf Ihrer Liste stehen, bis der saubere Herr von Hund demaskiert wurde — ich meine, bis sich herausstellte, daß er einer von jenen Leuten war, die mit der Kasse durchbrennen — und ihn der Herzog von Braunschweig aus der Vereinigung ausschloß.«
Agliè warf einen weiteren Blick auf unsere Liste: »Ah ja, der gute Weishaupt, den hatte ich ganz vergessen. Die baye-515
rischen llluminaten zogen anfangs mit ihrem schönen Namen viele edelgesinnte Geister an. Aber dieser Weishaupt war ein Anarchist, heute würden wir sagen, ein Kommunist, und wenn Sie wüßten, worüber man in jenen Kreisen damals schwadronierte — Staatsstreiche, Absetzung von Souverä-
nen, Blutbäder... Wohlgemerkt, ich habe Weishaupt sehr bewundert, aber nicht wegen seiner Ideen, sondern wegen seiner sehr klaren Vorstellung von der Funktionsweise einer Geheimgesellschaft. Aber man kann glänzende organisatori-sche Ideen und sehr konfuse Ziele haben. Mit einem Wort, der Herzog von Braunschweig sah sich plötzlich gezwungen, die Konfusion zu verwalten, die der Baron von Hund hinterlassen hatte, und begriff, daß es in der deutschen Freimaurerei nun mindestens drei einander bekämpfende Strö-
mungen gab: die esoterisch-okkultistische, inklusive einiger Rosenkreuzer, die rationalistisch-aufklärerische und die an-archisch-revolutionäre der llluminaten. So schlug er den verschiedenen Logen vor, sich in Wilhelmsbad bei Hanau zu einem ›Konvent‹ zu treffen, wie man das damals nannte, wir könnten auch sagen: zu einer Versammlung der freimaurerischen Generalstände. Folgende Fragen sollten beantwortet werden: Entspringt der Orden wirklich einer uralten Initiati-onsgemeinschaft und wenn ja, welcher? Gibt es wirklich Unbekannte Obere, Wächter der uralten Überlieferung, und wenn ja, wer sind sie? Was ist das wahre Ziel des Ordens? Ist sein Endziel die Wiederherstellung des Ordens der Templer-ritter? Und so weiter, bis hin zu der Frage, ob sich der Orden mit Geheimwissenschaften beschäftigen sollte. Willermoz machte begeistert mit, endlich sollte er Antworten auf die Fragen bekommen, die er sich sein Leben lang inbrünstig gestellt hatte... Und dann kam der Fall de Maistre.«
»Welcher de Maistre?« fragte ich.
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