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Das Foucaultsche Pendel

Das Foucaultsche Pendel

Titel: Das Foucaultsche Pendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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was Joly seinem Machiavelli in den Mund gelegt hatte (der Zweck rechtfertigt die Mittel) und durch diesen dem dritten Napoleon.
    Die Times hatte allerdings nicht bemerkt (wir schon), daß Joly seinerseits von Sue abgeschrieben hatte, dessen Roman mindestens sieben Jahre älter als seine Satire war.
    Eine antisemitische Autorin namens Nesta Webster, begei-sterte Anhängerin der Verschwörungstheorie und der Unbekannten Oberen, lieferte uns zu diesem Fund, der die Protokolle als billige Fälschung entlarvte, eine hellsichtige Intuition, wie sie nur die wahren Initiierten — oder die Jäger der Initiierten — gelegentlich haben: Joly war ein Initiierter gewesen, er kannte den Plan der Unbekannten Oberen, und da er Napoleon III. haßte, hatte er ihn ihm zugeschrieben, aber das bedeutete nicht, daß der Plan nicht unabhängig von Napoleon existierte. Da der in den Protokollen beschriebene Plan genau dem entsprach, was die Juden, so Madame Webster, gewöhnlich tun, war er logischerweise der Plan der Juden.
    Uns blieb nur noch übrig, die Dame Webster nach derselben Logik zu korrigieren: Da der Plan genau dem entsprach, was die Templer hätten denken müssen, war er der Plan der Templer.
    Im übrigen war unsere Logik die Logik der Fakten. Sehr gefallen hatte uns die Geschichte mit dem Prager Friedhof.
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    Es war die Geschichte eines gewissen Hermann Goedsche, der als kleiner preußischer Postbeamter falsche Dokumente veröffentlicht hatte, um den Demokraten Waldeck zu diskreditieren durch die Anschuldigung, er wolle den König von Preußen ermorden. Als der Schwindel aufkam, wurde Goedsche Redakteur bei der Preußischen Kreuzzeitung, dem Organ des konservativen Junkertums. Dann hatte er angefangen, unter dem Namen Sir John Retcliffe Sensationsroma-ne zu schreiben, darunter einen mit dem Titel Biarritz , erschienen 1868, in dem er eine okkultistische Szene schilderte, die sich auf dem Prager Friedhof abspielt, sehr ähnlich der Versammlung von Erleuchteten, die Alexandre Dumas am Anfang von Joseph Balsamo geschildert hatte, wo Cagliostro als Chef der Unbekannten Oberen, darunter Swedenborg, das Komplott mit dem Halsband der Königin plant.
    Auf dem Prager Friedhof versammeln sich die Vertreter der zwölf Stämme Israels, um ihre Pläne für die Eroberung der Welt zu besprechen.
    1876 übernimmt eine russische Hetzschrift die Szene aus dem Roman Biarritz, aber so, als wäre sie wirklich geschehen. Und dasselbe tut 1881 in Frankreich die Zeitung Le Contemporain. Wobei sie behauptet, die Information aus sicherer Quelle zu haben, nämlich von dem englischen Diplo-maten Sir John Readcliff. 1896 veröffentlicht dann ein gewisser Bournand ein Buch mit dem Titel Les Juifs, nos contem-porains, in dem er die Szene vom Prager Friedhof wiedergibt und behauptet, die umstürzlerische Rede sei von dem gro-
    ßen Rabbi John Readclif gehalten worden. Eine spätere Version wird jedoch behaupten, der wahre Readclif sei von dem gefährlichen Revoluzzer Ferdinand Lassalle auf den verhängnisvollen Friedhof geführt worden.
    Und die angeblich auf jenem Friedhof erörterten Umsturz-pläne sind mehr oder weniger dieselben, die 1880, wenige Jahre zuvor, von der Revue des Études juives beschrieben worden waren. Diese trotz ihres Namens antisemitische Zeitschrift hatte zwei Briefe veröffentlicht, die angeblich von Juden des fünfzehnten Jahrhunderts stammten. Die Juden von Arles bitten die Juden von Konstantinopel um Hilfe, weil sie verfolgt werden, und jene antworten: »Vielgeliebte Brüder in Moses, wenn der König von Frankreich euch zwingt, Christen zu werden, so tut es, denn ihr könnt nicht 586
    anders, doch bewahrt euch das mosaische Gesetz im Herzen.
    Wenn sie euch eurer Güter entblößen, so laßt eure Söhne Kaufleute werden, auf daß sie die Christen allmählich der ihren entblößen. Wenn sie euch nach dem Leben trachten, so laßt eure Söhne Ärzte und Apotheker werden, auf daß sie den Christen das Leben nehmen. Wenn sie eure Synagogen zerstören, so laßt eure Söhne Kanoniker und Kleriker werden, auf daß sie ihre Kirchen zerstören. Wenn sie euch andere Übel antun, so laßt eure Söhne Advokaten und Notare werden und sich in die Angelegenheiten aller Staaten einmischen, auf daß ihr, indem ihr die Christen unter euer Joch zwingt, die Welt beherrschen und euch an ihnen rächen könnt.«
    Es handelte sich noch immer um den Plan der Jesuiten und, ihm vorausgehend, um die Ordonation der Templer.
    Kaum Variationen, nur winzige

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