Das Foucaultsche Pendel
zuschreiben?
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Ratschkowskis Beschützer war der Minister Sergej Witte, ein Progressiver, der Rußland zu einem modernen Land machen wollte. Wieso sich ein Progressiver des Reaktionärs Ratschkowski bediente, weiß Gott allein, aber wir waren inzwischen auf alles gefaßt. Witte hatte einen politischen Gegner, einen gewissen Elie de Cyon, der ihn bereits öffentlich mit polemischen Spitzen attackiert hatte, die an gewisse Stellen der Protokolle erinnern. Aber in den Schriften von Cyon finden sich keine Ausfälle gegen die Juden, da er selbst indischer Abstammung war. 1897 läßt nun Ratschkowski auf Anordnung Wittes die Villa von Cyon in Territet bei Mon-treux durchsuchen und findet ein Pamphlet von Cyon, das nach dem Muster der Satire von Joly (oder des Romans von Sue) verfaßt worden ist und in dem die Ideen von Jolys Machiavelli-Napoleon III. nun Witte unterschoben werden.
Ratschkowski mit seiner genialen Fälschergabe nimmt den Text, ersetzt Witte durch die Juden und bringt das Produkt in Umlauf. Der Name Cyon scheint wie geschaffen, um an Zion zu erinnern, und endlich läßt sich beweisen, daß ein angesehener jüdischer Exponent eine jüdische Weltverschwörung anprangert. So sind die Protokolle entstanden.
Der Text fallt auch in die Hände von Juliane oder Justine Glinka, die in Paris das Milieu der Madame Blavatsky frequentiert und in ihren Mußestunden die im Exil lebenden russischen Revolutionäre ausspioniert. Die Glinka ist zweifellos eine Agentin der Paulizianer, die mit den Großgrund-besitzern liiert sind und daher dem Zaren einreden wollen, daß Wittes Programme dieselben seien wie die der jüdischen Weltverschwörung. Die Glinka schickt das Dokument an General Orgejewski, und dieser läßt es durch den Kommandanten der kaiserlichen Garde dem Zaren vorlegen. Witte bekommt Schwierigkeiten.
So hat Ratschkowski, mitgerissen von seinem antisemitischen Eifer, zum Unglück seines Beschützers beigetragen.
Und vermutlich auch zu seinem eigenen. Denn von diesem Moment an verloren wir seine Spur. Vielleicht hatte sich Saint-Germain bereits zu anderen Verkleidungen und neuen Inkarnationen aufgemacht. Aber unsere Geschichte hatte jetzt ein plausibles, rationales und klares Profil gewonnen, wurde sie doch nun durch eine Reihe von Tatsachen ge-stützt, deren Wahrheit so unbestreitbar war — sagte Belbo 590
— wie die Wahrheit Gottes.
All das rief mir wieder in Erinnerung, was mir De Angelis über die Synarchie erzählt hatte. Das Schöne an der ganzen Geschichte — sicher an unserer, aber vielleicht auch an der Großen Weltgeschichte, wie Belbo mit fiebrigem Blick bemerkte, während er mir seine Notizen reichte —, das Schöne daran sei, daß Gruppen, die in tödlichem Kampf miteinander lagen, sich gegenseitig erledigten, indem sie jede die Waffen der anderen benutzten. »Die erste Pflicht eines Infil-trierten ist«, kommentierte ich, »diejenigen als Infiltrierte anzuklagen, bei denen er sich infiltriert hat«
»Dazu fällt mir eine Geschichte aus *** ein«, sagte Belbo.
»Bei Sonnenuntergang begegnete ich auf der Hauptstraße immer einem Typ namens Remo oder so ähnlich, der in einem schwarzen Fiat Balilla saß. Schwarzer Schnurrbart, schwarzes Kraushaar, schwarzes Hemd und schwarze Zäh-ne, gräßlich kariös. Und er küßte ein Mädchen. Und mich ekelten diese schwarzen Zähne, die dieses schöne blonde Ding küßten, ich weiß nicht einmal mehr, wie sie aussah, aber für mich war sie Jungfrau und Prostituierte, sie war das Ewig-Weibliche. Und ich zitterte sehr davor.« Er hatte instinktiv einen feierlichen Ton angenommen, um seine ironische Absicht auszudrücken, wissend, daß er sich von den unschuldigen Sehnsüchten der Erinnerung hatte forttragen lassen. »Ich fragte mich und hatte die anderen gefragt, warum dieser Remo, der zu den Schwarzen Brigaden gehörte, sich so unverhüllt zeigen konnte, auch in den Monaten, in welchen *** nicht von den Faschisten besetzt war. Und man hatte mir gesagt, es werde gemunkelt, er habe sich bei den Partisanen infiltriert. Ob das nun stimmte oder nicht, eines Abends sehe ich ihn wieder in demselben schwarzen Fiat, mit denselben schwarzen Zähnen, wie er dasselbe blonde Mädchen küßt, aber jetzt mit einem roten Tuch um den Hals und in einem Khakihemd. Er war zu den kommunistischen Partisanen übergewechselt. Alle feierten ihn, und er hatte sich auch einen Nom de guerre zugelegt: X9, wie der Held in den Comics von Alex Raymond, die er im Avventuroso gelesen
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