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Das Foucaultsche Pendel

Das Foucaultsche Pendel

Titel: Das Foucaultsche Pendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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besitze jede Art von Geheimnis... Häufig bediente er sich bei seinen Auftritten jenes berühmten magischen Spiegels, der seinen Ruf
    mitbegründet hatte... Da er durch katoptrische
    Effekte die gewünschten und fast immer wieder-
    erkannten Schatten heraufbeschwor, war sein
    Kontakt mit der anderen Welt für viele eine be-
    wiesene Sache.
    Le Coulteux de Canteleu, Les sectes et les sociétés secrètes, Paris, Didier, 1863, p. 170-171
    Belbo kam sich verloren vor. Alles war klar. Agliè hielt seine Geschichte für wahr und wollte die Karte, er hatte ihn in eine Falle gelockt und hatte ihn nun in der Hand. Entweder Belbo fuhr nach Paris, um zu enthüllen, was er nicht wußte (aber daß er’s nicht wußte, wußte nur er, ich war verreist, ohne eine Adresse hinterlassen zu haben, und Diotallevi lag im Sterben), oder er hatte die ganze italienische Polizei auf dem Hals.
    Aber war’s möglich, daß Agliè sich auf ein so schmutziges Spiel einließ? Was bildete der sich ein? Man mußte den alten Narren am Kragen packen und ins Präsidium schleifen, nur so gab es ein Entkommen aus dieser Geschichte.
    Belbo nahm ein Taxi und fuhr zu Agliès Villa. Geschlossene Fensterläden, an der Tür das Pappschild einer Immobilienagentur: ZU VERMIETEN. Ja, sind wir denn alle verrückt geworden, Agliè hat doch hier noch vorige Woche gewohnt, ich hatte ihn angerufen! Belbo klingelte an der Tür des Nach-barhauses. »Der Herr dort? Der ist gerade gestern ausgezogen. Nein, ich weiß nicht wohin, ich kannte ihn nur vom Sehen, er lebte immer so zurückgezogen, und ich glaube, er war andauernd auf Reisen.«
    Blieb nur noch die Immobilienagentur. Aber dort hatte man noch nie von einem Agliè gehört. Die Villa war seiner-666
    zeit von einer französischen Firma gemietet worden. Die Miete war regelmäßig gekommen. Der Vertrag war ab sofort gekündigt worden, unter Verzicht auf Rückzahlung der Kau-tion. Alle Kontakte waren brieflich gewesen, mit einem gewissen Monsieur Ragotgky. Mehr wisse man nicht.
    Unmöglich! Rakosky oder Ragotgky oder wie auch immer, der mysteriöse Besucher des Oberst Ardenti, nach dem der scharfsinnige Kommissar De Angelis und Interpol suchten, der lief frei herum und mietete Immobilien! In unserer Geschichte war Ardentis Rakosky eine Reinkarnation des Ochrana-Ratschkowski gewesen, und dieser eine des unver-meidlichen Saint-Germain. Aber was hatte er mit Agliè zu tun?
    Belbo war ins Büro gegangen, die Treppe hinaufschlei-chend wie ein Dieb, und hatte sich eingeschlossen. Er wollte seine Gedanken ordnen.
    Es gab in der Tat Gründe, den Kopf zu verlieren, und Belbo hatte ihn wohl schon verloren. Und er hatte niemanden, dem er sich anvertrauen konnte. Während er sich den Schweiß von der Stirn wischte, blätterte er mechanisch in den Manuskripten auf dem Schreibtisch, die am Vortag eingetroffen waren, ohne zu wissen, was er da suchte, und plötzlich fiel sein Blick auf den Namen Agliè.
    Er starrte auf den Titel des Manuskripts. Das Werk eines x-beliebigen Diabolikers, Die Wahrheit über den Grafen von Saint-Germain. Er las die betreffende Seite noch einmal. Da stand geschrieben, unter Berufung auf die Biographie von Chacornac, daß Claude-Louis de Saint-Germain sich abwechselnd als Monsieur de Surmont, Graf Soltikoff, Mister Welldone, Marquis de Belmar, Fürst Rackoczi oder Ragozki und so weiter ausgegeben habe, aber die Familiennamen seien Graf von Saint-Martin und Marquis von Agliè gewesen, nach einem Besitz seiner Vorfahren in Piemont.
    Na großartig, nun konnte Belbo beruhigt sein. Nicht nur wurde er überall wegen Terrorismus gesucht, nicht nur war der Große Plan wahr, nicht nur war Agliè auf einmal verschwunden, sondern zu allem Überfluß war nun Agliè auch kein Mythomane mehr, sondern der echte unsterbliche Graf von Saint-Germain, was er ja nie verheimlicht hatte. Das einzig Wahre in diesem ganzen Strudel von Falschheiten, 667
    die sich alle auf einmal als wahr herausstellten, war sein Name gewesen. Oder nein, auch sein Name war falsch gewesen, Agliè war nicht Agliè, aber es war nun egal, wer er wirklich war, denn faktisch benahm er sich, und das seit Jahren, wie die Figur in einer Geschichte, die wir erst später erfinden sollten...
    In jedem Fall blieb nun Belbo keine Alternative mehr. Da Agliè verschwunden war, konnte er der Polizei nicht mehr den Mann vorführen, der ihm den Koffer gegeben hatte.
    Und selbst wenn die Polizei ihm glaubte, würde herauskommen, daß er den Koffer von einem bekommen

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