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Das Foucaultsche Pendel

Das Foucaultsche Pendel

Titel: Das Foucaultsche Pendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Als Jude wird man geboren. Finde dich damit ab, du bist ein Goj wie alle andern.«
    »Ich bin beschnitten.«
    »Also hör mal! Jeder kann sich beschneiden lassen, zum Beispiel aus hygienischen Gründen. Man braucht bloß einen Arzt mit Thermokauter. In welchem Alter hast du dich denn beschneiden lassen?«
    »Seien wir nicht spitzfindig.«
    »Doch, seien wir spitzfindig. Juden sind spitzfindig.«
    »Niemand kann beweisen, daß mein Großvater kein Jude 91
    war.«
    »Sicher nicht, er war ja ein Findelkind. Aber er hätte auch der Thronerbe von Byzanz sein können, oder ein Bastard der Habsburger.«
    »Niemand kann beweisen, daß er kein Jude war, und er ist nahe am Portico d’Ottavia gefunden worden, beim alten rö-
    mischen Ghetto.«
    »Aber deine Großmutter war keine Jüdin, und das Juden-tum vererbt sich über die Mütter...«
    »... und jenseits aller bürokratischen Argumente — denn auch die Gemeinderegister können jenseits der Buchstaben-form gelesen werden — gibt es die Argumente des Blutes, und das Blut sagt mir, daß meine Gedanken zutiefst talmudisch sind, und es wäre rassistisch von dir, zu behaupten, daß auch ein Goj so zuinnerst talmudisch sein kann, wie ich mich zu sein empfinde.«
    Sprach’s und verließ den Raum. Als er draußen war, sagte Belbo zu mir: »Machen Sie sich nichts daraus. Diese Diskussion führen wir nahezu täglich, nur daß ich jeden Tag ein neues Argument anzubringen versuche. Tatsache ist, daß Diotallevi ein treuer Jünger der Kabbala ist Aber es hat auch christliche Kabbalisten gegeben. Und schließlich, sagen Sie selbst, Casaubon, wenn Diotallevi unbedingt Jude sein will, kann ich mich kaum widersetzen.«
    »Kaum. Seien wir demokratisch.«
    »Seien wir demokratisch.«
    Er zündete sich eine Zigarette an. Ich erinnerte ihn an den Grund meines Besuches: »Sie haben gesagt, Sie hätten ein Manuskript über die Templer.«
    »Ja, stimmt... Warten Sie mal, es war in so einer Kunstledermappe...« Er wühlte in einem Stapel von Manuskripten und versuchte, eins aus der Mitte herauszuziehen, ohne die anderen abzuheben. Riskante Operation. Tatsächlich brach der Stapel zusammen und ergoß sich zum Teil auf den Boden. Aber Belbo hielt nun die Kunstledermappe in Händen.
    Ich warf einen Blick aufs Inhaltsverzeichnis und überflog die Einleitung. »Betrifft die Verhaftung der Templer. Im Jahre 1307 ließ Philipp der Schöne alle Templer in Frankreich verhaften. Aber es gibt da eine Legende, nach der zwei Tage, bevor Philipp den Haftbefehl erteilte, in Paris ein Heuwagen, von zwei Ochsen gezogen, mit unbekanntem Ziel die 92
    Umfriedung des Tempels verließ. Es heißt, es sei eine Gruppe von Rittern unter der Führung eines gewissen Anmont gewesen und sie seien nach Schottland geflohen, um sich dort einer Maurerloge in Kilwinning anzuschließen. Der Legende zufolge haben die Ritter sich mit den freien Maurer-zünften identifiziert, in denen die Geheimnisse des Salomonischen Tempels tradiert wurden... Hier, bitte, hab ich mir gleich gedacht. Auch der hier behauptet, den Ursprung des Freimaurertums in jener Flucht der Templer nach Schottland gefunden zu haben. Eine Mär, die seit zweihundert Jahren ständig wiedergekäut wird, reinste Phantasie. Kein Beweis weit und breit, ich könnte Ihnen ein halbes Hundert Bücher anschleppen, die alle denselben Stuß erzählen, eins vom anderen abgeschrieben. Sehen Sie hier, das hab ich aufs Geratewohl aufgeschlagen: ›Der Beweis für die schottische Expedition liegt in der Tatsache, daß sogar heute, nach sechshun-dertfünfzig Jahren, noch immer Geheimbünde in der Welt existieren, die sich auf die Tempelritter berufen. Wie läßt sich die Fortdauer dieser Erbschaft anders erklären?‹ Verstehen Sie? Wie sollte es möglich sein, daß der Marquis von Carabas nicht existiert, wo doch auch der Gestiefelte Kater beteuert, in seinen Diensten zu stehen?«
    »Hab schon verstanden«, sagte Belbo. »Ich werfe das weg.
    Aber Ihre Templergeschichte interessiert mich. Jetzt, wo ich endlich mal einen Experten vor mir habe, will ich ihn mir nicht entwischen lassen. Wieso reden alle immer nur von den Tempelrittern und nicht zum Beispiel auch von den Mal-tesern? Nein, sagen Sie’s mir nicht jetzt. Es ist schon spät, Diotallevi und ich müssen gleich zu einem Abendessen mit Signor Garamond. Aber ich hoffe, wir werden so gegen halb elf damit fertig sein. Wenn ich kann, überrede ich Diotallevi, auf einen Sprung zu Pilade mitzukommen — er geht ge-wöhnlich früh

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