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Das Foucaultsche Pendel

Das Foucaultsche Pendel

Titel: Das Foucaultsche Pendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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könnten bereits alles denkbare Wissen enthalten. Die Abteilung Tetrapilotomie hat propä-
    deutische Funktion, sie schärft den Sinn für die Irrelevanz.
    Eine wichtige Abteilung ist die der Adynata oder Impossibi-lia. Zum Beispiel Zigeunerische Urbanistik oder Aztekische Reitkunst... Das Wesen der Disziplin ist das Verständnis der tieferen Gründe ihrer Irrelevanz und, in der Abteilung Adynata, auch ihrer Unmöglichkeit Hier haben wir einstweilen Morphematik des Morsens, Geschichte der Antarktischen Agrikultur, Geschichte der Malerei auf den Osterinseln, Zeitgenössische Sumerische Literatur, Institutionen der Montes-sorischen Dokimasie, Assyrisch-Babylonische Philatelie, Technologie des Rades in den Präkolumbianischen Reichen, Ikonologie der Blindenschrift, Phonetik des Stiunrnfilms...«
    »Was halten Sie von einer Psychologie der Massen in der Sahara?«
    »Gut«, sagte Belbo.
    »Gut«, bekräftigte Diotallevi mit Überzeugung. »Sie müß-
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    ten mitarbeiten. Der Junge hat Talent, was, Jacopo?«
    »Ja, hab ich gleich gemerkt. Gestern abend hat er mit gro-
    ßem Scharfsinn dumme Gedankengänge ersonnen. Aber machen wir weiter, wo das Projekt ihn ja scheint’s interessiert.
    Was hatten wir noch gleich in die Abteilung Oxymoristik getan? Ich finde den Zettel nicht mehr.«
    Diotallevi zog ein Papier aus der Tasche und fixierte mich mit sentenziöser Sympathie. »In der Oxymoristik geht es, wie der Name sagt, um die Selbstwidersprüchlichkeit der Disziplin. Deswegen gehört meines Erachtens die Zigeunerische Urbanistik hierhin...«
    »Nein«, widersprach Belbo, »nur wenn es Nomadische Urbanistik wäre. Die Adynata betreffen empirische Unmöglichkeiten, die Oxymoristik befaßt sich mit begrifflichen Widersprüchen.«
    »Na schauen wir mal. Was hatten wir denn in die Oxymoristik getan? Hier: Institutionen der Revolution, Parmenidei-sche Dynamik, Heraklitische Statik, Spartanische Sybaritik, Institutionen der Volksoligarchie, Geschichte der Innovati-ven Traditionen, Tautologjsche Dialektik, Boolesche Eri-stik...«
    Jetzt fühlte ich mich herausgefordert: »Darf ich eine Gram-matik der Devianz anregen?«
    »Schön, schön!« riefen beide und machten sich eifrig ans Schreiben.
    »Es gäbe da ein Problem«, sagte ich.
    »Welches?«
    »Wenn Sie das Projekt bekanntmachen, wird ein Haufen Leute ernsthafte Publikationen vorlegen.«
    »Ich hab’s dir doch gleich gesagt, Jacopo, das ist ein helles Bürschchen«, sagte Diotallevi. »Wissen Sie, genau das ist nämlich unser Problem. Ohne es zu wollen, haben wir das ideale Profil eines wirklichen Wissens gezeichnet. Wir haben die Notwendigkeit des Möglichen demonstriert. Infolgedessen müssen wir schweigen. Aber jetzt muß ich gehen.«
    »Wohin?« fragte Belbo.
    »Es ist Freitagnachmittag.«
    »O heiliger Jesus!« rief Belbo. Dann erklärte er mir: »Hier gegenüber gibt es zwei, drei Häuser, in denen orthodoxe Juden wohnen, Sie wissen schon, solche mit schwarzem Hut und Bart und Löckchen. Es gibt nicht viele davon in Mai-90
    land. Heute ist Freitag, und bei Sonnenuntergang beginnt der Sabbat. Also fangen sie jetzt drüben an, alles vorzubereiten, die Leuchter zu putzen, die Speisen zu kochen, die Dinge so einzurichten, daß morgen kein Feuer angemacht werden muß. Auch der Fernseher bleibt die ganze Nacht an, nur sind sie gezwungen, vorher den Kanal zu wählen. Unser Freund Diotallevi hat ein kleines Opernglas, mit dem späht er indiskret rüber und träumt davon, er wäre auf der anderen Seite der Straße.«
    »Und wieso?« fragte ich.
    »Weil unser guter Diotallevi sich in den Kopf gesetzt hat, er sei Jude.«
    »Was heißt in den Kopf gesetzt?« protestierte Diotallevi.
    »Ich bin Jude. Haben Sie was dagegen, Casaubon?«
    »Aber nein, ich bitte Sie!«
    »Mein lieber Freund«, sagte Belbo entschieden, »du bist kein Jude.«
    »Ach nein? Und mein Name? ›Gott möge dich aufziehen‹
    — ein Name wie Diotisalvi, Graziadio, Diosiacont, alles Übersetzungen aus dem Hebräischen, Ghettonamen wie Scholem Alejchem.«
    »Diotallevi ist ein Glückwunschname, wie ihn die Standes-beamten den Findelkindern oft gaben. Und dein Großvater war ein Findelkind.«
    »Ein jüdisches Findelkind.«
    »Diotallevi, du hast hellrosa Haut, eine kehlige Stimme und bist praktisch ein Albino.«
    »Es gibt Albino-Kaninchen, und ich bin eben ein Albino-Jude.«
    »Diotallevi, man kann nicht einfach beschließen, Jude zu sein, so wie man beschließt, Briefmarkensammler oder Zeuge Jehovas zu werden.

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