Das Frankenstein-Projekt (German Edition)
Manche kamen einfach besser ohne zurecht. »Mein Fehler. Tut mir leid. Ich war irrigerweise davon ausgegangen, der Verstorbene sei der Gatte von Frau Bertram gewesen.«
»Was reden Sie denn da für einen Unsinn, junger Mann? Selbstverständlich ist der Verstorbene der Gatte von Frau Bertram gewesen. Sind Sie wirklich ganz sicher, dass es nur Migräne ist?«
Renfield ließ sich nicht beirren. »Aber haben Sie nicht eben noch behauptet, Sie sei nicht seine Frau gewesen?«
»Das habe ich nicht.«
»Doch, das haben Sie.«
»Nein, das habe ich nicht!«
»Das haben Sie doch.«
Ein erneutes Schnippen gegen Renfields Ohr brachte dieses aufschlussreiche Gespräch zu einem abrupten Ende.
»Ganz offensichtlich hat Ihnen Ihr verfluchter Informant die falsche Adresse gegeben«, zischte Rains neben ihm. »Finden Sie die richtige heraus. Und wenn Sie das wieder verbocken, Renfield, schlitze ich Sie auf und ziehe Ihnen eigenhändig das Fell über die Ohren.«
Plötzlich ging Renfield ein Licht auf. »Soll das etwa heißen, die Frau des Verstorbenen ist gar nicht Margret Bertram?«
»Natürlich nicht«, sagte Herr Wendelstein fast ein bisschen pikiert. »Ihr Name ist Eugenie.«
»Nicht auszudenken«, meinte Renfield geistesgegenwärtig. »Dann hätte ich ja um ein Haar den falschen Verstorbenen abgeholt. Kann man sich das vorstellen? Sie wissen nicht zufällig, wo diese andere Dame wohnt? Frau Margret Bertram, meine ich. Ihr Mann soll ja heute noch unter die Erde und ich möchte sie ungern enttäuschen.«
»Warten Sie, ich will mal nachsehen.« Der alte Herr verschwand im Nebenraum und kehrte nach einiger Zeit mit dem Telefonbuch zurück. Er legte es auf eine antike schwarze Truhe mit dunklen Eisenbeschlägen, schlug es an einer Stelle auf und blätterte einige Seiten um. Sein Zeigefinger fuhr die Reihen mit dem Buchstaben B entlang, bis er fündig wurde.
»Da haben wir sie, junger Mann. Bertram, Margret. Talstraße 13. Talstraße …«, sagte er in einem leicht abschätzigen Ton. »Die Dame gehört bestimmt nicht zur Familie. Das ist in einer von diesen Neubausiedlungen, wenn Sie wissen, was ich meine.«
Renfield wusste nicht, was er meinte. »Ist das weit von hier?«
»Weit?« Herr Wendelstein schien belustigt zu sein. Seine buschigen weißen Augenbrauen wanderten ein gutes Stück in die Höhe. Mit einem gehüstelten Lachen sagte er: »Talstraße .« Er schüttelte sich. »Weit ist gar kein Ausdruck. Das ist ganz auf der anderen Seite der Stadt.«
Hotel »Zum wilden Eber«, Ingolstadt
Als Talbot und Adrian das Hotel erreichten, war es bereits später Nachmittag. Das Gasthaus lag idyllisch auf einer bewaldeten Anhöhe einige Kilometer außerhalb der Stadt, war ringsum von Laubbäumen umgeben und von der Landstraße aus nicht zu sehen. Ein geteerter, aber mit Schlaglöchern übersäter Weg, kaum breiter als ein Handtuch, führte zur kiesbestreuten Auffahrt hinauf und zu den hinter dem Hauptgebäude liegenden Parkplätzen.
Talbot hatte ihre Ankunft von unterwegs telefonisch angekündigt. Um ganz sicherzugehen, dass sie später ungestört würden abfahren können, stellte er seinen alten Citroën so auf dem Parkplatz ab, dass man ihn nicht zuparken konnte.
»Kommen Sie hier rein«, sagte die junge Dame von der Rezeption, von der Talbot inzwischen wusste, dass sie Sarah Mertens hieß. Sie stand an der Hintertür der Schankstube und hielt sie auf. »Was ist denn los, Mr Talbot? Warum haben Sie so geheimnisvoll getan?«
»Ich kann Ihnen das jetzt nicht im Detail erklären, aber wir sind ein bisschen in Schwierigkeiten.«
»Ich hoffe, es ist nichts Ernstes«, sagte sie. Und dann mit einem freundlichen Blick auf Adrian: »Und wen haben wir hier? Einen Verwandten von Ihnen?«
»Ja«, sagte Talbot. »So in der Art.«
»Ich heiße Adrian«, sagte Adrian. Er fand, die Frau sah aus wie ein Engel. Sie war wunderschön und hatte hellblondes Haar, das ihr in Wellen bis über die Schultern fiel.
»Hallo, Adrian«, sagte sie. »Ich bin Sarah. Du siehst ein wenig blass um die Nase aus. Du wirst doch nicht krank sein?«
Talbot warf einen letzten Blick nach draußen auf den Parkplatz, dann machte er die Tür hinter ihnen zu. »Hören Sie: Ich möchte Sie nicht beunruhigen, aber es ist wichtig, dass Sie absolutes Stillschweigen bewahren. Es darf niemand von unserer Anwesenheit hier wissen.«
»Haben Sie beide denn etwas ausgefressen?«
»Jemand hat die Tante dieses Jungen brutal überfallen und …«
»Was?« Sie
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