Das Frankenstein-Projekt (German Edition)
Hotels heraus.
Jean-Claude Rains faltete dankbar die unsichtbaren Hände. Das waren die Momente, in denen er wieder wusste, wofür er Renfield bezahlte, seine abscheulichen Schrullen duldete und ihm wie eine Krankenschwester tagtäglich die Pillen dosierte.
Nachtlager
Ein Waldstück unweit von Landsberg
Lawrence Talbot plagten derweil ganz andere Sorgen. Langsam wurde es wirklich Zeit, einen Platz zum Übernachten zu finden. Es hatte keinen Zweck mehr, weiterfahren zu wollen. Das eben war verdammt knapp gewesen. Was, wenn er noch einmal einschlief? Das konnte er nicht riskieren. Dem Jungen gegenüber hatte er es zwar nicht zugeben wollen, aber er hatte selbst einen Mordsschrecken bekommen. Nicht auszudenken, was alles hätte geschehen können, wäre er in den Gegenverkehr geraten oder hätte an der Stelle, wo er von der Straße abgekommen war, ein Baum gestanden. Talbot fühlte sich ausgelaugt. Vor allem die letzten Vollmondnächte hatten an seiner Verfassung gezehrt. Mit der Wolfskrankheit war es wie mit einer schweren Grippe: Auch wenn man das Schlimmste überstanden hatte, war es noch nicht vorbei. Seit seiner Jugend litt er unter den Symptomen, ohne jemals verstanden zu haben, warum dieser Fluch ausgerechnet ihn getroffen hatte. Er war weder von einem Wolf gebissen worden noch hatte er irgendeine verbotene Pflanze angerührt. Es war einfach so über ihn gekommen. Von heute auf morgen. Das erste Mal mit 14 Jahren. Eine böse Laune des Schicksals. Erst in zwei, drei Tagen würde er sich wieder deutlich besser fühlen, das wusste er. Bis dahin blieb ihm nichts weiter übrig, als sich zusammenzureißen!
In der Ferne lag ein Wäldchen. Talbot konnte das Laub, die Nadeln und die feuchte Würze des bemoosten Waldbodens durch das heruntergekurbelte Seitenfenster riechen – wie ein Wolf, der Witterung aufnahm. Gleich fühlte er sich besser, wacher, kräftiger. Der Wald war sicher. Dort würden sie die Nacht verbringen.
Talbot bog von der Landstraße ab und fuhr langsam eine alte, mit Schlaglöchern übersäte Kopfsteinpflasterstraße hinauf. Dunkel und dicht lag der Wald vor ihnen auf der Anhöhe. Als sie ihn schließlich erreichten und sein dichtes Blattwerk sie mit knorrigen Armen aus Ästen und Zweigen umfing, wurde es still. Die befestigte Straße endete nach gut einem halben Kilometer auf einer kleinen Lichtung, und Talbot lenkte den Citroën in einen schmalen Wirtschaftsweg. Nach weiteren 100 Metern hielt er mitten im Wald an. Hier war ihr Wagen selbst bei Tageslicht von der Straße aus nicht mehr zu sehen.
»Bleiben wir hier?«, fragte Adrian, der schrecklich müde war, es jedoch seit dem Ausflug ins Maisfeld nicht mehr gewagt hatte, ein Auge zuzutun. »Ich meine, schlafen wir hier?«
»Ja, das müssen wir wohl. Gleich morgen früh werden wir weiterfahren.«
»Gott sei Dank.« Adrian schloss mit einem Stoßseufzer die Augen und gähnte. »Ich dachte schon, ich müsste die ganze Nacht auf Sie aufpassen, Mann. Ich bin todmüde.«
Talbot beäugte ihn mit hochgezogenen Augenbrauen. »Na, dann steig mal aus.«
»Was? Wozu das denn?«
»Du wirst mir helfen, unser Lager herzurichten.«
Ein Lager herrichten?, dachte Adrian. Der Mann hatte sie doch nicht alle. »Wozu brauchen wir denn ein Lager? Ich dachte, wir schlafen im Auto.«
»Das ist zu umständlich.«
Adrian runzelte die Stirn. Er verstand nicht, was daran so umständlich sein sollte, mal eben die Sitze nach hinten zu klappen. Ganz im Gegenteil. Da draußen ein Lager aufzuschlagen war sicherlich wesentlich aufwendiger. Trotzdem löste er den Sicherheitsgurt. Erst dann fragte er: »Was kann denn wohl noch umständlicher sein, als erst ein blödes Lager herzurichten?«
»Falls wir aus irgendeinem Grund schnell los müssen, habe ich keine Lust, erst zehn Minuten die Scheiben zu wischen, um etwas sehen zu können. Klar?«, fragte Talbot. Er klappte das Handschuhfach auf und nahm zwei Taschenlampen heraus. Eine reichte er Adrian, der bereits ausgestiegen war und jetzt fröstelnd neben dem Wagen stand.
»Es ist arschkalt.«
»Du bist müde. Aber dir wird gleich wärmer werden, Junge«, sagte Talbot. »Wir machen ein Feuer.« Damit ging er um den Wagen herum, öffnete den Kofferraum und nahm einen Stapel Decken heraus. Er schüttelte eine aus und hängte sie Adrian um die Schultern.
Wortlos stapfte dieser hinter Talbot her, der einem schmalen Trampelpfad bis zu einer flachen Senke von vielleicht vier Metern Durchmesser folgte. Dichte Büsche
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