Das Frankenstein-Projekt (German Edition)
kommen.«
Isabella hat eine Idee
Café du Clos, Rue du Clos, 9, Genf
Es war fast vier Uhr am Nachmittag, und Talbot, Adrian und Isabella saßen unter riesigen Sonnenschirmen vor einem todschicken Café am Ostufer des Genfer Sees. Talbot hatte den Fehler gemacht, erst einen Blick auf die Karte zu werfen, nachdem sie es sich bereits auf den Korbstühlen gemütlich gemacht hatten und einer der Kellner auf sie aufmerksam geworden war. Alles hier war unglaublich teuer. Trotzdem bestellte er einen Kaffee und ein großes Glas Bier für sich selbst und Cola für Isabella und Adrian.
Bei Tage zu versuchen, in die Villa Diodati zu gelangen, wäre reiner Selbstmord. Talbot hatte sich das Haus und das Anwesen genauestens angesehen, zumindest so genau, wie es die hohen Hecken und Zäune rings um den Besitz zugelassen hatten. Es gab ein paar Stellen, die sich besser eigneten. Das Hauptproblem war allerdings das Sicherheitssystem. Talbot ging fest davon aus, dass es eines gab, und das würde nicht so leicht zu umgehen sein. Versuchte man, ein Fenster oder eine Tür aufzubrechen, stand vermutlich binnen weniger Minuten die Polizei auf der Matte. Wäre er allein gewesen, hätte er es gewagt, mit den beiden Jugendlichen im Schlepptau war das jedoch ganz und gar unmöglich. Und den Fehler, sie im Wagen zurückzulassen, würde er nach dem Angriff auf Isabella sicher kein zweites Mal machen. Selbst wenn er sie irgendwo in der Stadt unterbrachte, ginge es nicht. Was würde aus ihnen werden, wenn man ihn schnappte?
Nein, es musste einen anderen Weg geben, unbemerkt in die Villa und in Mary Shelleys ehemaliges Zimmer zu gelangen.
»Ich hab eine Idee, wie Sie das ganz leicht schaffen«, sagte Isabella und riss Talbot damit aus seinen Gedanken.
Einen kurzen Moment lang fragte er sich, ob er seine Überlegungen laut vor sich hingemurmelt hatte, kam aber schnell zu dem Schluss, dass das nicht der Fall war. »Was hast du?«
»Ich hab eine Idee, wie Sie da reinkommen. In diese Frankenstein-Villa. Daran denken Sie doch die ganze Zeit, oder?«
»Was du nicht sagst.« Für einen Augenblick setzte er sein Bierglas ab. »Na, dann schieß mal los.«
»Erst, wenn Sie mir verraten, was Sie da drin eigentlich suchen.« Mit aufgesetzter Unschuldsmiene nippte sie an ihrer Sechs-Euro-Cola, die selbstverständlich Talbot bezahlt hatte.
Taschendiebin. Orakel. Und Erpresserin, fügte er der Vielzahl ihrer Berufe einen weiteren hinzu. »Na, toll.«
»Nun gucken Sie nicht so. Hab ich etwa gesagt, ich will 50 Mäuse für die Information? Nein, hab ich nicht. Ich will nur wissen, was Sie da drin wollen. Ist das etwa zu viel verlangt?«
»Ja, ist es«, antwortete Adrian an Talbots Stelle. »Sag mal, was bildest du dir eigentlich ein?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Wer nicht will, der hat schon.«
»Du willst doch nur angeben«, sagte Adrian. »Wenn du wirklich eine Ahnung hättest, würdest du es sagen.«
»Und ich weiß es doch.«
»Klar.« Talbot widmete sich wieder seinem Bier. Wenn es möglich war, aus Kaffeesatz und Teeblättern die Zukunft vorherzusagen, so musste man das doch auch mit dem ablaufenden Schaum eines Bierglases tun können. Er erkannte ein Herz und einen Hund, die sich aufeinander zubewegten, hatte aber keinen Schimmer, was das bedeuten mochte.
»Ich weiß eine ganze Menge«, sagte Isabella.
»Ah, stimmt. Ich hatte ganz vergessen, dass du Hellseherin bist.«
»Blödsinn, das hat damit gar nichts zu tun!« Ihre Augenbrauen hatten die Form eines V angenommen. Sie funkelte Talbot böse an. »Sie haben ja überhaupt keine Ahnung.«
Talbot stellte sein Glas hin. Er mochte Isabella, sie war nicht verkehrt. Und auch Darwin Night hätte an dem Mädchen seine helle Freude gehabt, gar kein Zweifel. Sie schien den Nervenkitzel zu lieben, den Reiz des Abenteuers; vermutlich, weil es sie von ihrem eigentlich recht trostlosen Leben als jüngstes Mitglied einer Familie von Taschendieben ablenkte.
»Du hast doch spitzgekriegt, was hier los ist«, sagte Talbot betont ruhig. »Du hast gehört, worüber Adrian und ich im Wald geredet haben. Du weißt, dass seine Tante … ermordet wurde. Du selbst wurdest ebenfalls angegriffen. Ich muss dir wohl nicht erst erklären, dass euer Leben davon abhängen kann, ob wir in diese Villa reinkommen oder nicht.« Er sagte nichts mehr, sondern fixierte sie nur.
»Was soll denn das jetzt?« Sie ruckte nervös auf ihrem Stuhl herum, drehte ihr Colaglas zwischen den Handflächen. »Wollen Sie mir
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