Das Frankenstein-Projekt (German Edition)
losgingen.
Nicht so Talbot, der die Hupe sofort als die seines eigenen Wagens identifiziert hatte.
HUP! HUP! HUP! HUUUP! HUUUP! HUUUP! HUP! HUP! HUP!
Dreimal kurz! Dreimal lang! Dreimal kurz! Das waren Morsezeichen!
Ohne zu zögern packte er Adrian am Arm und zog in hinter sich her zum Ausgang.
SOS!
Isabella musste in Lebensgefahr sein!
Aus dem Augenwinkel sah Isabella die massige Gestalt am Fenster den Bruchteil einer Sekunde, bevor die rechte hintere Wagentür mit einem Ruck aufgerissen wurde.
Instinktiv nahm sie den rechten Arm hoch, um sich zu schützen, und das war ihr Glück. Statt sie im Nacken zu treffen, was höchstwahrscheinlich sofortige Bewusstlosigkeit zur Folge gehabt hätte, traf der niedersausende Pistolenknauf nur ihre Schulter.
Sie ließ sich schreiend auf die Rückbank fallen, winkelte die Beine an, zog die Knie bis zum Kinn und trat dem fetten, schwitzenden Kerl, der an der offenen Wagentür stand, mit voller Wucht die Hacken vor die Brust. Sie sah die Pistole in seiner Hand und sein hochrotes, erschrockenes Gesicht, als er nach hinten umkippte. Dann rappelte sie sich hoch und sprang mit einem Satz auf den Fahrersitz. Weg! Nur weg von der offenen hinteren Tür! Wie besessen fing sie an, auf die Hupe einzuhämmern.
SOS! SOS! SOS! SOS! SOS! SOS! SOS!
Als Talbot und Adrian den Citroën erreichten, stand die hintere rechte Wagentür offen und Isabella kauerte auf dem Fahrersitz, halb über dem Lenkrad hängend und immer noch mit den Handballen auf die Hupe einhämmernd.
Talbot warf die Einkäufe auf den Rücksitz, rannte um den Wagen herum und machte die Fahrertür auf. »Was ist passiert?« Mit beiden Händen umfasste er ihre Schultern. »Isabella! Alles ist gut. Was ist hier passiert?«
Weinend und am ganzen Leib zitternd, ließ sie sich in seine Arme fallen. »Da war so ein Typ«, schluchzte sie. »Der wollte mich umbringen! Der hatte eine Pistole!«
»Jetzt ist alles gut«, wiederholte Talbot und wiegte sie in seinen Armen. »Beruhige dich, Isabella. Alles ist gut.«
Adrian war unterdessen auf den Rücksitz geklettert. Er war vom Laufen noch so aus der Puste, dass er kein einziges Wort herausbrachte. Talbot dagegen schien der Hundertmetersprint nicht das Geringste ausgemacht zu haben.
Isabella sah auf. Dann wischte sie sich die Tränen aus dem Gesicht. »Ist er weg?«
»Ja, Gott sei Dank«, sagte Talbot erleichtert. »Ich hätte dich hier niemals allein lassen dürfen. Hast du gesehen, wie er aussah?«
»Klar, ich bin ja nicht blind.«
Talbot lächelte. Und auch Adrian konnte sich ein erschrockenes kleines Lachen nicht verkneifen. Ihr Ton wurde schon wieder giftiger – es schien ihr also bereits merklich besser zu gehen.
»Kannst du ihn beschreiben?«
»Das war so ein fetter Kerl mit kurzen Haaren. Hatte ein weißes Hemd an und eine schwarze oder graue Hose, glaub ich. Sein Atem hat ganz widerlich nach Karamell gerochen. Und er hatte so eine komische viereckige Pistole.«
»Aha.«
»Der war ganz klar hinter dem Koffer her. Hat ihn aber nicht gekriegt.« Sie lachte unter Tränen. »Ich hab ihm nämlich mächtig eine verpasst.«
»Das war ziemlich mutig von dir«, sagte Talbot. Dann wurde er nachdenklich: »Meinst du, du würdest ihn wiedererkennen?«
»Sicher … Ja … Bestimmt … Wenn ich ihn noch mal sehe.«
Talbot presste die Lippen aufeinander. Er wirkte sehr besorgt. »Dir ist schon klar, was das heißt, oder?«
Sie schaute ihn an. »Nein, was denn?«
»Dass du jetzt genauso in der Scheiße steckst wie ich«, sagte Adrian. »Du hast ihn gesehen. Der Kerl ist jetzt auch hinter dir her.«
Talbot hob die Augenbrauen und nickte zustimmend. »Lasst uns abhauen«, sagte er.
Cologny
Genfer See, Schweiz
Inmitten der majestätischen Gebirge im Osten und Süden und der satten grünen Weinberge im Norden lag der wie mit kunstvoll geschwungenem Pinselstrich gemalte Genfer See, über dem die Luft in der Mittagshitze flirrte und flimmerte wie eine riesige blaue Fata Morgana.
Während sie am Ufer des Sees entlang auf Genf zufuhren, kamen sie an malerischen Burgen und verträumten kleinen Dörfern vorüber. Purdy hätte nichts dagegen gehabt, hier und da auszusteigen, um sich die Beine zu vertreten, Millycent dagegen schien die bezaubernde Schönheit der Gegend überhaupt nicht zu bemerken. Im Gegenteil – von Purdy auf den See und den in der Ferne über den schneebedeckten Gipfeln der Savoyer Alpen emporragenden Mont Blanc angesprochen, bezeichnete sie
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