Das Frankenstein-Projekt (German Edition)
jedenfalls an«, setzte er hinzu.
»Das kam von draußen«, sagte Isabella. »Vom Fenster.« Sie beugte sich vor und sah hinaus. »Es ist stockdunkel. Ich kann nichts erkennen.«
Talbot schnappte sich eine Taschenlampe und stieg aus. Den Lichtstrahl so weit wie möglich auf den Boden gerichtet, suchte er die Büsche und die Straße rings um den Wagen ab. Nichts. Hier war niemand. Und wenn doch, so musste er unsichtbar sein.
Eine fette Fliege verirrte sich ins Auto und zog summend ihre irren Kreise. Isabella schlug nach ihr, traf sie mit den Fingerspitzen, und die Fliege knallte gegen die Kopfstütze des Fahrersitzes. Unter wildem bsss bssss stürzte sie torkelnd in den Fußraum und flog schließlich wieder zum hinteren Wagenfenster hinaus.
Kein Mond am Himmel.
Es war die perfekte Nacht.
Millycent lenkte die X-FLY11 aus dem geöffneten Wagenfenster hinaus in die Nacht. Sie ließ sie einen weiten Halbkreis fliegen und steuerte dann abermals auf Talbots Wagen zu. Das war verdammt knapp gewesen. Um Haaresbreite waren sie an einem Totalverlust der Drohne vorbeigeschrammt.
Als sie den zweiten Anflug wagte, war sie vorsichtiger. Statt ins Wageninnere zu fliegen, hielt sie die winzige Drohne am geöffneten Seitenfenster auf Höhe. Per Knopfdruck klebte sie eines der an der Unterseite der X-FLY montierten Kamera-Eier an die Gummidichtung des Fensters. Jetzt würde ihr alles, was im Citroën geschah, direkt auf den Bildschirm geschickt werden.
Millycent legte den Joystick um. Die blau schillernde Drohne stieß sich brummend vom Wagen ab und nahm wie ein winziger Helikopter Kurs auf den Hügel.
Chemin Byron, Cologny
Renfield beobachtete die Wespe schon eine ganze Weile. Sie war durch das Fenster des Opel Corsa hereingeflogen und hatte sich an seinem Croissant gütlich getan, von dem er absichtlich ein gutes Stückchen übrig gelassen hatte.
Monsieur Rains war schon vor einer halben Stunde aufgebrochen, um sich den am Fuß des Hügels geparkten Citroën etwas genauer anzusehen. Er hatte den Hut und die Sonnenbrille abgenommen, sich im Schutz der Sträucher den Mullverband vom Kopf gezerrt, Hemd, Hose und Unterwäsche ausgezogen und alles in die mitgebrachte Plastiktüte gestopft, die Renfield ihm hingehalten hatte. Dann war er losgezogen.
Von dort, wo sie parkten, konnte Renfield den See sehen, auf dem sich die Lichter der Boote spiegelten. Mit Daumen und Zeigefinger packte er das Insekt bei der Taille, hob es hoch und drückte zu. Stachel und Giftblase der Wespe klatschten wie Eiter aus einem ausgedrückten Pickel gegen die Windschutzscheibe. Dann verschwand sie in seinem Mund.
Wespen! Der glücklichste Nachmittag seiner Erinnerung hatte mit Wespen zu tun. Das war an einem schrecklich heißen Sommertag in München gewesen. Zu Zeiten der schlimmsten Wespenplage, die es jemals in Deutschland gegeben hatte. Renfield hatte sich an einer italienischen Eisdiele einen Karamellbecher bestellt und während des Essens zu seiner großen Freude festgestellt, dass das Eis mit den gefrorenen toten Leibern der reizbaren Insekten nur so gespickt gewesen war. Jeder andere Kunde hätte das sofort dem Gesundheitsamt gemeldet, nicht so Renfield. Für ihn war es der schönste Tag seit Jahren gewesen. Nicht zu wissen, in welchem Bissen sich die nächste Wespe verbarg, hatte dabei den besonderen Reiz ausgemacht.
Wespen! Ein wohliger Schauer lief ihm über den Rücken, trotz der herrschenden Hitze. Wespen übten einen besonderen Reiz auf ihn aus – noch lieber waren ihm allerdings Hornissen und Skorpione, die auch ohne ihren Stachel ganz agil waren. Allerdings bekam man sie selten. Und sie konnten mit ihren Zangen und Beißwerkzeugen auch im Todeskampf ganz gut zupacken. Nicht, dass er diese Art von Schmerz nicht ertragen könnte. Aber ein sehr großer Skorpion hatte ihm in Spanien einmal fast die Zungenspitze gespalten. Ein Lächeln huschte über Renfields Gesicht, als er daran dachte.
Er ließ das Croissant auf dem Armaturenbrett liegen. Vielleicht summte ja noch ein Bienchen herein. Man konnte nie wissen.
Er wollte es sich eben gemütlich machen, als plötzlich jemand mit der flachen Hand auf das Wagendach klopfte.
Erschrocken fuhr er hoch. »Wer ist da?« Er sah zum Fenster hinaus, doch es war niemand zu sehen. »Wer ist da?«, fragte er abermals und diesmal hatte sich eine Spur Furcht in seine Stimme geschlichen.
»Na, wer das wohl sein kann, Renfield?« Es war Rains, dessen ärgerliche Stimme in der Luft schwebte wie
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