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Das Frankenstein-Projekt (German Edition)

Das Frankenstein-Projekt (German Edition)

Titel: Das Frankenstein-Projekt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert C. Marley
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Großvaters kam ihr in den Sinn: »Es kommt nicht darauf an, wie weit man gehen könnte , sondern darauf, wie weit man zu gehen bereit ist.«
    Den größten Teil der Nacht hatte sie auf dem Genfer Hauptbahnhof Gare de Cornavin zugebracht. Wollte man sich verstecken, war das ein ausgezeichneter Ort. Dort herrschte Tag und Nacht Betrieb.
    Als es langsam hell wurde, verließ sie das Bahnhofsgebäude. Eine Stunde lang schlenderte sie kreuz und quer durch Genf, bestahl hier und da einige reiche Schnösel und gönnte sich am Quai de Cologny ein opulentes Frühstück, bestehend aus Rührei und einem Croissant mit Butter und Konfitüre. Dazu trank sie Orangensaft und Kaffee.
    Es waren zwei Männer, die ihr folgten, aber sie war nicht sicher, ob sie auch zusammengehörten. Der eine war vielleicht 30 und hatte blonde, kinnlange Haare. Er trug ein kariertes Jackett und helle Hosen. Von ihrem Tisch aus hatte sie sehen können, wie er eine Zeitung kaufte und sich auf der gegenüberliegenden Straßenseite auf eine Mauer setzte, wo er so tat, als würde er lesen. In der Menge war er nicht so leicht auszumachen wie der zweite Mann, dessen Tarnung noch schlechter war. Der wäre überall aufgefallen. Isabella hatte ihn heute schon öfter gesehen.
    Als sie aus dem Schreibwarenladen trat, lehnte er mit dem Rücken an einer der Säulen, die den Eingang der Gasse begrenzten und studierte eine griechische Straßenkarte. Wenn sie sich nicht ganz und gar irrte, war das derselbe Mann, dem sie in der Nacht in Cologny auf so geschickte Weise die Holzschatulle abgenommen hatte. Er war ganz in Schwarz gekleidet und sah wie der ewige Konfirmand aus in seinem zu kurzen schwarzen Anzug, unter dem die verschlissenen weißen Hemdsärmel hervorlugten wie weiße Mäuse mit Stehkragen. Und ständig führte er Selbstgespräche.
    Das erste Mal hatte sie ihn heute auf dem Bahnhof bei den Toiletten bemerkt, kurz nachdem sie ihren Schlafplatz verlassen hatte. Und ein zweites Mal in der Genfer Innenstadt, nicht weit von der Grande Rue entfernt.
    Schon klar, das alles hätten Zufälle sein können, wäre ihr derselbe Mann nicht auch im Café aufgefallen, als sie auf dem Weg zur Toilette fast in ihn hineingerannt wäre. Als sie zurückgekommen war, hatte er sie zunächst nicht bemerkt. Ihr allerdings war aufgefallen, wie er mit jemandem neben sich getuschelt hatte. Seltsamerweise war jedoch der Platz neben ihm frei gewesen. Isabella hätte auch das vermutlich als das schrullige Verhalten eines seltsamen Kauzes abgetan, wäre ihr nicht im gleichen Moment die brennende Zigarette aufgefallen. Nicht, dass sie sonst sonderlich viel von Zigaretten hielt – im Gegenteil, sie verabscheute sie zutiefst. Aber diese Zigarette war bemerkenswert gewesen, denn sie hatte frei in der Luft geschwebt! Erst als der Mann sie bemerkt hatte, griff er ertappt nach der Zigarette in der Luft, steckte sie sich in den Mund und tat so, als sei seine rechte Hand eine Handpuppe, die ihm auf seine Fragen antwortete.
    Vermutlich hätte sie sich auch diesmal nicht weiter um ihn gekümmert, hätte er die Straßenkarte richtig herum gehalten – und wäre es eine Genfer Straßenkarte gewesen.
    Als sie an ihm vorüberging, das sah sie im schwachen Spiegelbild einer Schaufensterscheibe, folgte er ihr wieder.
     
    Renfield ließ die Straßenkarte sinken und sah dem Mädchen nach. Großartig! Sie war ganz allein unterwegs, kam gerade aus einer Papeterie. Und sie hatte den Lederkoffer bei sich. Jetzt marschierte sie schnurstracks in eine der am wenigsten belebten Gassen der ganzen Stadt. Eine Vogelspinne auf der Jagd konnte nicht siegessicherer sein, dachte Renfield. Wenn er Glück hatte, würde er ihr den Koffer abnehmen können, noch ehe sie bis drei gezählt hatte. Renfield, der nicht sicher war, ob Rains sich noch in seiner Nähe befand, sagte: »Ich werde ihr jetzt nachgehen, Monsieur.« Und er faltete im Gehen ungeschickt die Straßenkarte zusammen.

Chemin Byron, Cologny
     
    Talbot und Adrian hatten die halbe Nacht mit Warten verbracht. Mittlerweile war die Sonne aufgegangen und Isabella war noch immer nicht zurück.
    »Wir müssen los«, sagte Talbot. »Wir können nicht länger hierbleiben, ohne Aufmerksamkeit zu erregen.«
    »Wollen wir nicht wenigstens noch eine halbe Stunde warten?« Adrian konnte einfach nicht glauben, dass Isabella sie dermaßen hinters Licht geführt hatte. »Vielleicht gibt es einen Grund für ihr Verschwinden.«
    »Ganz bestimmt gibt es den«, sagte Talbot.

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