Das Frauenkomplott
stoppte also meinen Redefluss und kam wieder zur Besinnung. Denn unterm Strich waren bei meiner Geschichte mit dem Chirurgen, wenn ich denn Soll und Haben nach meiner Raserei gegeneinander aufrechnen müsste, lediglich zehn Therapiestunden à 95 Euro stehen geblieben. Mir wurde das beim Blick in Maris freundlich lächelnde Augen klar.
Sie hielt mir jetzt einen Vortrag über Verliebtheit, Liebe und Beziehung. Sie war in der Hinsicht sehr belesen, zitierte Psychologen, die schon lange, bevor die Paare es am eigenen Leibe erfahren würden, ermittelt hatten, dass die Verliebtheit maximal ein Jahr, bei vielen nur ein bis zwei Wochen hält. Darauf Beziehungen zu gründen sei kopflos. Beziehungen seien viel zu wichtig und zögen weitreichende Konsequenzen nach sich, als dass man, und vor allem Frauen, sie vom Wahnsinn der Hormone steuern lassen dürfte. Die Ehe im 19. Jahrhundert hätte zum Beispiel überhaupt nichts mit den auf Sex begründeten, individuellen Ansprüchen an heutige Beziehungen zu tun. Die hätten es miteinander ausgehalten – allerdings hätten die Frauen damals in den Verträgen schlechte Karten gehabt. Heute könnten sie doch eigentlich gut die Dinge zu ihrem eigenen Nutzen in die Hand nehmen.
»Wenn das so ist, warum – entschuldige – hast du denn die Hand auf diese beiden etwas älteren Herren gelegt?« Ich konnte Maris Ausführungen durchaus folgen. Aber hätte das nicht auch mit etwas jüngeren und ansprechenderen Männern funktioniert? Ich hätte gern so einen Mari’schen Vertrag mit meinem Kollegen Benjamin gemacht, der mir jetzt gerade in den Sinn kam, der nicht nur rasend gut aussah, sondern auch schlau und charmant war, der aber bis jetzt noch kein Interesse daran gezeigt hatte, mit mir einen Kaffee zu trinken – ich hätte nicht gewusst, wie ich mit ihm in Vertragsverhandlungen über eine Beziehung hätte einsteigen können.
»Das ist ein entscheidender Punkt!«, stieß Mari in meine trüben Überlegungen. »Ältere Männer sind reifer, sie wissen, was sie wollen – sie können sich selbst einschätzen und was das einer Frau wert sein kann – und sie liegen einem nicht auf der Tasche, weil sie selbst Geld haben – jedenfalls die, mit denen ich in nähere Beziehung trete.«
Ich guckte Mari nun wahrscheinlich ein wenig zu streng an. Denn sie warf den Kopf mit einer kleinen Bewegung in den Nacken, die mir signalisierte, ihr nicht moralisch zu kommen. Außerdem schien mir in ihrem Blick noch mitzublitzen, dass sie mich für so intelligent gehalten habe, mir Einblick in ihre Vertragsgewohnheiten zu geben, dass ich jetzt nicht dummes Zeug reden solle.
Ich schwieg also wohlweislich und dachte nach. Meine Liebschaften hatten auch ab und an ein wenig mehr Geld gehabt als ich selbst, sie hatten es aber immer für sich behalten. Geld selbst war nicht der Makel in meinen Augen. Der Makel war, es zu nehmen.
»Gehört das zu eurem Vertragswerk?«
»Ja.«
Junge, Junge! Honi soit qui mal y pense – um mal wieder mit meiner Tante Hedwig zu sprechen. Schande über den, der Böses dabei denkt.
Wir bestellten uns beide noch einen Milchkaffee und blickten versonnen auf die Marktstände. Es war ein wunderbarer warmer Tag. Ich saß auf dem Marktplatz einer Kleinstadt, hatte keine Arbeit mehr, keinen Mann, weder mit noch ohne Geld, neben einer Frau, die zwei Männer hatte, von denen beide über Geld verfügten und die ihr beide offensichtlich davon etwas abgaben. Das musste ich erst einmal verdauen.
»Wofür?«, wollte ich wissen.
Mari hob die Augenbrauen.
»Wofür bekommst du das Geld?«
»Nicht für Sex … jedenfalls nicht nur!« Sie wollte mich offenbar verblüffen, aber ich versuchte, ausgebufft auszusehen, immerhin kam ich aus Berlin. Aber ich war innerlich ein moralisches protestantisches Landei. »Ich bekomme es vor allem für die Zeit und die Zuwendung, die ich gebe.«
Mari wohnte bis jetzt in Berlin, erzählte sie. Dort hatte sie studiert und auch ihre Referendarzeit als Juristin absolviert. Und wohl gar nicht mal so schlecht. Parallel hatte sie angefangen, in einer Beratungsfirma Seminare zum Thema »Wer sich benimmt, verkauft auch besser!« zu geben und hatte dabei als Auftraggeber den Weberknecht Adrian kennengelernt. Der hatte lange Zeit um sie geworben, bis sie nachgab und – er war Banker in Frankfurt und viel zwischen London und Brüssel unterwegs – begann, ihn auf seinen Reisen zu begleiten. Denn Herr Weber war allein. Er war seit über zehn Jahren geschieden, denn seine
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