Das Frauenkomplott
wahrscheinlich aus wie ein gieriges Fragezeichen und fragte das Naheliegende: »Welche Abmachung?«
Mari trank einen Schluck von ihrem Milchkaffee und schien zu überlegen, ob sie es mit einem ausreichend intelligenten Menschen zu tun hatte, der das Folgende nachvollziehen könnte. »Er weiß, dass ich noch eine andere, wie soll ich es sagen … Beziehung habe. Wir haben, bevor wir uns aufeinander eingelassen haben, darüber geredet und uns auch über die Bedingungen verständigt, unter denen wir zusammen sein können.«
Das schien mir, als ich an meinen Chirurgen dachte, nicht ganz unvernünftig zu sein. Deshalb fragte ich auch gleich ganz neugierig: »Wie habt ihr das denn gemacht? Schriftlich?«
»Ja, genau!«, antwortete Mari und taxierte mich ein wenig erstaunt an. »Wir haben eine Art Vertrag gemacht. Nicht dass er juristisch verwertbar wäre, aber ich finde als Juristin, dass es gut ist für beide Seiten, wenn sie wissen, worauf sie sich einlassen.«
Ich hatte meine Listen immer nur zur Selbstvergewisserung gemacht und das auch nur, wenn ich so richtig am Boden lag. Offenbar konnte man dieses Verfahren auch anwenden, wenn man obenauf war.
»Da hast du ihm aufgeschrieben, dass du noch mit dem … dem Weberknecht aus dem Zug zusammen sein willst?«
Mari lachte schallend. Das Lachen kam aus ihrem Bauch und ihre Augen strahlten geradezu. Dann schüttelte sie den Kopf, um anschließend erneut zu nicken. »Ja, der Weberknecht, der heißt Adrian Weber!« Sie lachte weiter und lächelte mich an. »Er heißt wirklich Weber, Adrian Weber.« Sie schnalzte mit der Zunge. »Nein, wir haben sozusagen die Rahmenbedingungen skizziert, festgeschrieben und ein paar Regeln ausdrücklich miteinander vereinbart. Damit sich beide Seiten darüber im Klaren sind, haben wir sie aufgeschrieben, damit es nicht zu falschen und unterschiedlichen Interpretationen kommt.«
Ich platzte vor Neugierde. Hier taten sich ja für meine Beziehungen ganz neue Möglichkeiten auf. Ich hatte wirklich bisher immer gedacht, die Liebe streckt einen dahin, und damit hat es sich, der Rest folgt als Tragödie oder Farce. Aber mit kühlem Kopf alles von vornherein planen? Wie könnte das gehen und wohin führte es? – Offensichtlich nicht in Tragödien. Dafür war Schmerbusch jedenfalls nicht der richtige Partner.
»Aha«, nickte ich nun als Frau aus der Hauptstadt, »mmhh …«, dann nickte ich noch wie eine Frau von Welt und wusste aber immer noch nicht weiter und weil mir Mari kein Stichwort lieferte, gab ich nach und fügte hinzu: »Ich verstehe das nicht. Ich habe meine Beziehungen immer im Nachhinein interpretiert … nächtelang mit einer Freundin, und seit fast zwei Jahren mit meiner Therapeutin. Und wenn ich mir die Auswertung angesehen habe, komme ich eigentlich zu dem Schluss, dass es auch bei reiflicher Überlegung im Vorhinein gar nicht – um mal mit der Juristin zu sprechen – gar nicht zum Vertragsabschluss gekommen wäre … jedenfalls nicht von meiner Seite.«
Ich sah Mari an und ihr etwas kühles und leicht süffisantes Lächeln ließen mir dämmern, dass ich einen Treffer gelandet hatte. Sie verhinderte also Katastrophen durch Vertragsabschlüsse im Voraus. Ich war beeindruckt und nickte anerkennend. Warum hatte ich das noch nicht gemacht? Wie sie das so darstellte, schien es ja ganz einfach. Es gab nur ein grundlegendes Problem: »Ich habe noch nie nachgedacht – jedenfalls nicht vorher.«
»Und das ist der Fehler!«, triumphierte Mari. »Nachher ist für Frauen zu spät!«
Ich musste ihr da, was meine Geschichte anging, nicht nur mit Blick auf meinen Chirurgen, Recht geben.
»Und wenn du dich verliebst, mit Haut und Haar?«
»Das war ich – bis jetzt jedenfalls – noch nie!« Sie trank einen Schluck Milchkaffee, der mittlerweile kalt sein musste. Und sie schaute mich dabei freundlich an, ich schaute irritiert zurück. Mich überkam ein Gefühl von Mitleid. Noch nie verliebt gewesen, mit Haut und Haar, mit allem, was einen um den Verstand bringt.
Ich wurde ganz eifrig: »Aber es ist doch toll, verliebt zu sein, diese Atemlosigkeit, diese Besessenheit, an nichts anderes denken zu können, voll in Flammen zu stehen, heiß und kopflos …?«
Das war das falsche Stichwort. Ich merkte an ihrem leichten Kopfschütteln und ihrem spöttischen Lächeln, dass sie nicht nachvollziehen konnte, wovon ich sprach. Und dass sie genau das, was ich so glühend beschrieb, auch nicht wollte, sondern im Gegenteil absichtsvoll vermied. Ich
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