Das Frauenkomplott
Hauch. »Wenn es denn so wäre«, flüsterte er Mari ins Ohr, die ihn daraufhin liebevoll anlächelte und ihm die Wange streichelte.
Mittlerweile war es kurz vor Mitternacht und die Nomburgshauser Swinger forderten nun mit entschiedenem Nachdruck die Gäste in eine Reihe, um sie mit der Polonäse ans Mitternachtsbüffett zu treiben. Von der Tanzfläche kamen die ersten Paare, die Hände auf der Schulter der Vorderfrau oder des Vordermannes, und nötigten jeden in die Kette und dann ging es ab, mit gaaanz langen Schritten. Ja, da kam Freude auf.
Die Unterhaltung über das Schicksal und alte Männer konnten wir zum Glück nicht mehr weiterführen. Mari wurde von Gerd Bodenstedt, der mit glühenden Augen anmarschierte, an der Schulter gepackt und in die Reihe gezwungen. Sie wedelte mit den Armen, um ihren Schmerbusch noch mitzuziehen und der fädelte sich willig ein. Er schien Freude zu finden an dem Fest im Dorf seiner Kindheit.
Ruth hielt sich mit beiden Händen an der Theke fest und ich lehnte das Ansinnen der nächsten Polonäsereiter ab, mit Verständnis heischendem Lächeln und Blick auf meine wankende Cousine.
Als ich sie an die frische Luft schleppte, knickte sie sofort ein. Ich brachte sie mit dem Shuttletaxi der Gastgeber nach Hause.
4. Kapitel
Ich war überrascht, dass Mari mich am Samstagmorgen anrief. Ich war am Telefon, denn Ruth lag noch im Bett.
»Hallo, Karoline, schön, dass ich dich direkt am Apparat habe. Ich würde dich gern treffen. Hast du heute Nachmittag eine Stunde Zeit?«
Aha, Nachtigall, ik hör dir trapsen – dachte ich mit meiner Tante Hedwig – und sagte sofort zu. Sie müsse mich aber abholen, Ruths Wagen sei kaputt und ich wolle nicht Fahrrad fahren und hätte sonst keine Möglichkeit, nach Nomburgshausen zu kommen.
Der Morgen war für Ruth nicht so schrecklich, wie ich vermutet hatte. Sie kam aus ihrem Schlafzimmer, als ich gerade das Frühstück fertig hatte und ihr eigentlich schon ein Aspirin und eine Tasse Kaffee ans Bett bringen wollte. An das Ende des Abends erinnerte sie sich nicht mehr. Sie behauptete, das Letzte, das ihr im Gedächtnis sei, war, dass Gerd ihr gesagt hätte, sie sei eine traumhafte Tänzerin und dass er gar nicht verstehe, dass sie keinen Mann habe.
»Er tanzt gar nicht so schlecht. Vielleicht sollte ich mal über sein Angebot nachdenken.« Sie rollte mit den Augen und schloss sie dann. Ich klärte sie nicht weiter über das Ende des gestrigen Abends auf, denn sie wirkte erschöpft und traurig. Sie goss sich eine Tasse Kaffee ein, ging damit zum Sofa und legte sich hin. Sie war blass. Das Sonnenlicht fiel auf ihre dunklen Haare, die einige graue mehr zeigten, als ich in Erinnerung hatte, und der Kontrast zu ihrer Blässe ließ sie zerbrechlich wirken. Durch ihren dunkelblauen Baumwollmorgenmantel zeichneten sich ihre Hüftknochen ab. Sie war noch schlanker geworden und machte einen mitgenommenen Eindruck.
Ich setzte mich neben sie auf das Sofa, nahm ihr den Kaffee aus der Hand und stellte ihn auf den Tisch. »Geht es dir gut?«
»Ja, Karoline. Ich bin sehr froh, dass du hier bist. Entschuldige, dass ich mich nicht ganz unter Kontrolle habe.«
Ich strich ihr durch die Haare und fühlte mich schon wieder mütterlich.
Als Ruth auf dem Sofa eingeschlafen war, setzte ich mich mit einem Stapel Papier vor die Dielentür an den großen Gartentisch. Ich wollte eine Liste erstellen, anhand derer ich mich mit der neuen Situation, in die ich ohne die Verlängerung meines Vertrages gekommen war, auseinandersetzen konnte. Alte Tricks. Meine Therapeutin hat manchmal solche Ideen, die ich erst für banal und abwegig halte, die mich letztlich aber doch durch die verblüffenden Ergebnisse überzeugen. Das letzte Mal hatte ich das Verfahren angewandt, als ich nach einer leidenschaftlichen Affäre mit einem Mediziner wieder allein war. Ich hatte ihn in einem Café in der Nähe der Charité kennengelernt und war sofort verknallt. Verknallt ist das richtige Wort, denn ich war regelrecht durchgeknallt und von Sinnen. Er schien nicht nur feinfühlig, sondern auch durchsetzungsfähig zu sein. Die Geschichte lief drei Monate und wir begegneten uns meist nur kurz – und heftig. Er rief mich immer an, wenn er Zeit hatte. Denn er hatte unglaublich viel zu arbeiten, an ein ruhiges gemeinsames Wochenende war gar nicht zu denken. Ich war so begeistert von seinen zarten Chirurgenfingern, dass ich sogar nachts aufstand, wenn er mich anrief, um sich mit mir zu treffen. Wir hatten
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