Das Frauenkomplott
Rosenberg!«
Ich maß die beiden ab. Friedbert sah auf jeden Fall besser aus, als es um seinen Charakter bestellt war. Er hatte keine Geschwüre, war nicht buckelig und verfügte auch über alle Zähne. Wenn man ihn nicht kannte, würde man ihn für einen ganz passabel aussehenden Mann mittleren Alters halten. Das konnte ich nicht, denn ich kannte ihn. Aber ich versuchte, ihn einen Moment mit den Augen eines arglosen Mitmenschen zu betrachten. Friedbert hatte nämlich in den letzten drei Jahren erheblich abgenommen. Möglicherweise, weil er sich wieder auf dem Partnerschaftsmarkt bewähren wollte. Auch der Bauch, den er sich in den letzten 20 Jahren langsam angefressen hatte, war verschwunden. Ich hatte ihn ja auch zum Glück seit vier Jahren nicht mehr gesehen, und kannte niemanden, der mir etwas über seine Diäten hätte erzählen können. Sein dünnes Haar hatte er extrem kurz geschoren. Er trug die obligate Modeglatze und eine schwarz gefasste Brille, die ihm wohl zu einem intellektuellen Aussehen verhelfen sollte. Nun konnte Friedbert mich nicht täuschen und deshalb lächelte ich meinerseits süffisant und schnaubte leicht durch die Nase. Doch Mari schien dieses Signal meiner Herablassung nicht zu bemerken. Sie gab nun auch Tobias die Hand, der diese Gelegenheit nutzte, dem besitzergreifenden Griff seines Vaters zu entkommen. Friedbert legte seinen Blick weiterhin auf Mari, die das mit großer Gelassenheit registrierte.
Friedbert war schon vor drei Jahren nach der Scheidung von Ruth nach Hannover gezogen. Zwar gab es die Wohnung in Nomburgshausen noch, aber er war seit dem Verkauf der Fabrik kaum noch dort gewesen.
Was wollte dieses Aas nur hier?
Als hätte er die Frage gehört, sagte Friedbert: »Wir sind übers Wochenende hier – Tobias und ich –, um ein paar finanzielle Dinge zu klären! Nicht wahr, Sohnemann!« Jovial und selbstgefällig schaute Friedbert seinen Sprössling an und wollte schon wieder die Hand auf seine Schulter legen.
Aber Tobias wich mit rotem Kopf einen Schritt zurück. »Ach, Papa!«, flehte er fast wie ein Kind und sah von seinem Vater zu mir und zurück zu seinem Vater. Das Schlimmste für ihn schien die Anwesenheit der fremden Mari zu sein, die ihn freundlich und – wie mir schien – nachsichtig musterte.
»Na, na, nichts für ungut«, warf sich Friedbert nun ein wenig zu laut in die Brust. »Das ist doch kein Grund zur Panik, wenn der Vater dem Sohn eine kleine Examensunterstützung einräumt.« Und mit einem dünnen Lächeln zu mir gewandt, erläuterte Friedbert: »Mein Vater hat mir keinen Pfennig gegeben! Ich musste alles allein und aus eigener Kraft aufbauen!«
Ja, mit dem Geld, der Arbeit und den Ideen deiner Frau. Ich schrie vor Zorn, ohne Worte, ich fixierte ihn, voller Hass. Und zählte einatmend bis fünf. Auch eine Hilfsmaßnahme – nicht meiner Therapeutin, aber meiner Yogalehrerin. Es muss bis fünf sein, drei reicht manchmal nicht aus, hatte sie gesagt. Sie hatte recht. Bei fünf sah ich Friedbert an, denn während ich zählte und atmete, hatte ich den Blick in mich selbst versenkt. In dem neuen Blick nach außen versuchte ich, all meine Verachtung deutlich werden zu lassen, gleichzeitig war ich stolz auf mich, dass ich mich nicht dazu hatte hinreißen lassen, wie eine Irre zu toben. Innerlich aber fühlte ich mich so. Weiß vor Zorn und rasend vor Wut.
»Wir müssen gehen, Tobias. Bis später!«, sagte ich zu Tobias gewandt, griff mit einer Hand nach Mari und zog sie an meine Seite.
Ich wandte mich zum Gehen und gestattete Mari gerade noch, den beiden ein kurzes »Auf Wiedersehen« zuzuwerfen. Tobias stand immer noch etwas abseits fast an der Hauswand und starrte auf die Erde. Friedbert schaute kurz hinter uns her und machte einen Schritt auf seinen Sohn zu.
»Der Arme!«, flüsterte ich zu Mari und beschleunigte. »Der arme Junge!«
»Wer, der junge Mann? Tobias?«
»Ja!«
Ich schwieg und fragte mich, ob Tobias wusste, dass seine Mutter vorgestern eine schmähliche Niederlage vor Gericht erlitten hatte. Oder ob er völlig ahnungslos war. Mir wurde klar, dass ich nicht genau wusste, wie Ruth mit ihren Kindern darüber gesprochen hatte, und ob sie es überhaupt getan hatte. Aber auf jeden Fall wussten beide nach der Scheidung, dass es um die Fabrik eine Auseinandersetzung gab. Auch wenn sie über den Ausgang und den Prozesstermin unter Umständen nicht informiert gewesen waren. Friedbert hatte Tobias in eine richtig unangenehme Situation
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