Das Frauenkomplott
nach Berlin zurückfuhr und aus dem Fenster starrte, eine eigenartige Unruhe überkommen. Irgendeine Idee regte sich in mir. Weit entfernt davon, esoterischen und spinnerten Gedanken anzuhängen und zu vermuten, dass da in mir irgendetwas wach wird, zum Durchbruch kommen will, bin ich durch meine Therapeutin mittlerweile aber so weit, darauf zu achten, ob mir mein Körper oder mein Unterbewusstsein irgendein Signal gibt, dass etwas Verdrängtes wieder nach oben, in mein Bewusstsein will.
Ich hatte mich seit meiner Abfahrt bemüht, die vielen Erlebnisse des Wochenendes zu ordnen. Es flatterten da ein paar Gedanken, Sätze und Bilder herum, die mir nicht mehr aktiv im Bewusstsein waren, aber doch eine Bedeutung haben konnten. Doch immer, wenn ich eine Ahnung davon hatte und sie heben wollte, verschwand das Bild im Dunkeln. Aber als Friedbert mich eben überreden wollte, mich mit ihm zu treffen, da legte mir der Gedanke an das Geld, das Ruth zustand, sozusagen einen Hebel im Kopf um, und ich zog diesen Zipfel aus dem Nebel: Das, wonach ich in meinem Hirn auf der Suche war, hatte jedenfalls mit Geld zu tun – mit dem Geld, das Friedbert jetzt hatte.
Nachdenklich kroch ich die Treppe zum Museum rauf, die Jerôme mit seinem kleinen Hintern so lässig heraufgehüpft war. Auf dem Flur der Abteilung, der ich nun noch drei Monate angehören würde, kam mir Beate entgegen und ich wurde zum zweiten Mal zurückkatapultiert in den Donnerstag.
»Wie war’s auf dem Land?«, fragte Beate. »Scherömschen sitzt schon in seinem Büro und will uns um 10.00 Uhr zu einer kleinen Beschpreschung zusammenrufen.« Sie bückte sich, um sich die Schuhe zuzubinden und hüpfte schon los, bevor sie mit der Schleife richtig fertig war. Das Gute an Beates Fragen ist, dass man sie in der Regel nicht beantworten muss, weil sie meist schon wieder unterwegs ist.
Die Besprechung mit Jerôme würde ich als Erstes hinter mich bringen müssen. Ich kam als Letzte in die Runde, alle waren schon um den Besprechungstisch versammelt.
Ich setzte mich und sah 10-Stunden-Melanie an. Blass und blond, hübsch und zurückhaltend. Aber böse wollte ich ihr nicht sein. Sie war ja im Grunde genau so ein armes Schwein wie ich. Und nur weil sie sich besser »verkaufen« konnte, wollte ich nicht mit ihr hadern. Ich lächelte sie nachsichtig an, wollte keine bösen Gefühle zulassen. Also betrachtete ich sie mit aller gebotenen Sachlichkeit und musste aber leider feststellen, dass sie doch ziemlich unsympathisch war – jedenfalls mir. Aus dem Archiv war der gut aussehende, charmante Kollege Benjamin anwesend und Beate, die die ganze Zeit auf ihrem Stuhl herumzappelte. Auch die Abteilungssekretärin war heute da und zwei Kollegen aus der Abteilung Malerei des 17. bis 19. Jahrhunderts, von denen wir auch Exponate mit in unsere Ausstellung genommen hatten. Es ging um die letzten praktischen Arbeiten, die nun noch zu erledigen waren.
Jerôme erwähnte zu Beginn dieser Arbeitsbesprechung mit keinem Wort, dass meine Zeit hier zu Ende ging. Wir besprachen den Stand der letzten Arbeiten für die Vorbereitung der Ausstellung »Grafik der Moderne zwischen Kitsch und Kunst«. Und auch ich steuerte meine Fakten bei, fand mich cool und sagte ebenfalls nichts über die Nichtverlängerung meines Vertrages. Als Beate vorschlug, dass ich mit ihr ab Ende August die Zusammenstellung der Exponate für ein niederländisches Museum übernehmen sollte, das für ein Ausstellungsprojekt im nächsten Januar eine Anfrage gestellt hatte, winkte Jerôme ab.
»Carolin’ ist nur noch bis einschließlisch September, also bis zur Ausstellungserrrrröffnung, bei uns – c’est dommage.«
Die Kollegen waren verblüfft und redeten durcheinander, wollten wissen, wie denn das gekommen sei, meine Verlängerung sei doch so gut wie sicher gewesen, und ob man da nicht noch mal was machen könne, das ginge doch nicht, und wie sollten sie das denn ohne mich auf die Beine stellen. Jerômes Einwand, Melanie, die sich nicht an dem Geplapper beteiligt hatte, wäre weiterhin da, sie hätte eine Aufstockung auf 15 Stunden bekommen, galt ihnen nichts, 15 Stunden seien zu wenig, außerdem hätte Melanie gerade erst ihren Magister und der Schwerpunkt passe ja nicht so richtig, sie sei schließlich eher spezialisiert auf Malerei und wie der Berliner Senat so eine unglaubliche Sparpolitik auf Kosten der Kultur fahren könne, das sei ja skandalös.
»Was willst du denn jetzt machen?«, fragte der schöne Benjamin
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