Das Frauenkomplott
abwarten kannst, kannst du dir ja schon in Frankfurt mit deinem Weberknecht den Film angucken!«
Sie schwieg einen Moment, und ich dachte schon, mein loses Mundwerk sei wieder einmal schneller gewesen als mein Verstand, aber dann fragte sie freundlich: »Spricht da der Neid der Besitzlosen?«
»Möglicherweise!«, gab ich zu und dachte darüber nach, ob es wirklich wahr sein könnte, dass mir ihre Kinobegleitungen für meinen Geschmack zu alt waren, oder ob ich das nur in Ermangelung überhaupt einer Begleitung so bewertete.
*
Wir waren im Jüdischen Museum verabredet. Für mich war das ungünstig, aber Mari wohnte im Prenzlauer Berg in der Rykestraße und fuhr ohnehin immer mit dem Taxi. Sie hatte diesen Ort zu meiner Verblüffung vorgeschlagen. Ich schob meinen Rucksack durch die Kontrolle und ging durch das Café zu dem mit Glas überspannten Innenhof.
Schon am Eingangsbogen zum weiten, hellen Raum bemerkte ich, dass Mari nicht allein war. Sie saß dort im Gespräch mit einem jungen Mann. Er sah aus wie ein wild gewordener Geiger, der sich beim Csárdás verausgabt hatte. Schlank, schwarzlockig und mit dunklen Koteletten hätte man ihn fast schon für eine Karikatur halten können. Aber die Brille riss alles raus. Sie verlieh ihm ein geradezu intellektuelles Aussehen. Eine Sensation.
Ich schluckte, stieß die Tür auf und näherte mich dem Tisch. Die beiden bemerkten mich nicht, und ich spürte, wie ich mich verkrampfte, die Schulterblätter anspannte.
»Hallo, Mari!«, sagte ich fest und ein wenig zu laut. Dann drehte ich mich zu dem Geiger, reichte ihm die Hand, drückte sie mit entschiedener Männlichkeit und schleuderte ihm meinen Namen entgegen. »Brauer!« Mit der anderen Hand klopfte ich ihm freundlich burschikos auf die Schulter, denn er hatte aufstehen wollen, um mir die Hand zu geben. Stattdessen schlug er nach hinten auf seinen Stuhl und musste mich nun von unten aufschauend begrüßen.
»Schröder!«, rief er zu mir rauf. Und lächelte.
Ich schluckte abermals und kroch innerlich auf allen vieren um den kleinen Tisch herum, setzte mich auf den dritten Stuhl und schwieg. Ein paar Sekunden lang kramte ich in meinem Rucksack, um irgendwas zu suchen, was mir einerlei war, und wartete, dass meine Ohren nicht mehr glühten.
»Karoline, wir haben ein bisschen länger gebraucht. Darf ich vorstellen: Das ist Manuel – Schröder.« Mari lachte freundlich und legte ihre Hand auf meinen Arm. »Manuel, das ist meine neue Errungenschaft, Dr. Karoline Brauer. Wir haben uns erst letzte Woche im Zug kennengelernt!«
Diese junge Göre – empörte ich mich mit meiner Tante Hedwig. Ich bin fast zehn Jahre älter als sie, dachte ich verzweifelt, ich werde es nie lernen. Sie machte das so souverän und gelassen, und mit so viel Ernsthaftigkeit. Sie hätte auch die Königin von Saba mit George Clooney bekanntmachen können, ohne zu stottern. Schröder, Manuel lächelte mich unvermindert an. Vielleicht konnte er nicht sprechen. Er war nun eigentlich kein Jüngling mehr. Ende 30 war er, möglicherweise auch gut erhaltene Mitte 40.
»Es hat mich gefreut, Sie kennenzulernen«, sagte er dann doch mit einem mir so angenehmen badischen Einschlag. Er machte Anstalten zu gehen.
Ich nickte stumm und räusperte mich. Nach einer gefühlten Ewigkeit erhob er sich und zu Mari gewandt verabschiedete er sich. Ich starrte ihm wortlos hinterher. Sie kann wahrscheinlich nicht sprechen, dachte er jetzt. An der Tür drehte er sich noch einmal um und winkte uns zu. Ich schob meinen Kopf wieder in den Rucksack.
»Karoline, was ist denn los?«, sagte Mari und zog mich am Oberarm über die Tischkante. »Was ist denn mit dir los?«
»Wieso? Nichts, ich wollte nicht stören.«
Mari sah mich misstrauisch an. Sie kannte mich nicht und konnte mich nicht richtig einschätzen.
»Wollen wir hier bleiben oder woanders hingehen?«, fragte sie mich. Sie hatte schon seit zwei Stunden mit Manuel Schröder im Jüdischen Museum gesessen. Wir entschieden uns also zu einem Ortswechsel und brachen auf. Ich bog vor dem Museum sofort selbstverständlich rechts in Richtung Bushaltestelle ab, sie hob mit der gleichen Selbstverständlichkeit den Arm, um ein Taxi anzuhalten.
»Komm, lass uns mit der U-Bahn oder dem Bus fahren«, hielt ich sie zurück.
»Wohin?«
»Keine Ahnung, ich will ein bisschen laufen.« Es war ein angenehmer Abend, noch nicht zu heiß. Die Wetterlage war stabil und es war noch immer ein Wetter, das meiner Ansicht nach akzeptabel
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