Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Frauenkomplott

Das Frauenkomplott

Titel: Das Frauenkomplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Kroneck
Vom Netzwerk:
war. Bald würde es sicher wieder schwül werden. Wir gingen die Lindenstraße entlang Richtung Norden. Es gab genug Schatten unter den Linden.
    Wo hatte Mari nur diesen Mann her, grübelte ich, während wir uns in Richtung Kochstraße in Bewegung setzten. Wir gingen nebeneinander her, Mari mit langen Beinen und entsprechenden Schritten, und redeten über die architektonischen Besonderheiten dieser Gegend. Ich konnte mich ein wenig zusammenraufen, auf diesem Terrain war ich zu Hause. Ich geriet sprachlich regelrecht in Fahrt, um meine stumme Blamage eben im Café vergessen zu machen.
    »Da rechts, diese Bauten wurden bei der IBA 1987, der Internationalen Bauausstellung, gebaut. Ich war damals mit der Schule das erste Mal in Berlin. Es haben solche Architekten wie Hinrich und Inken Baller mitgemacht.«
    Mari war interessiert und freute sich, eine kompetente Begleitung zu haben. Ich schlug vor, zum Fraenkelufer zu laufen, um das damals aufsehenerregende Gebäude anzusehen. Aber sie lehnte ab. Wir gingen weiter, ich redete ohne Punkt und Komma, sie hörte zu. Ich schnappte nach Luft. In welcher Beziehung stand sie zu dem Geiger? Ich sah sie von der Seite an, aber sie machte keine Anstalten, mich aufzuklären. Also klassifizierte ich ihr das Axel-Springer-Hochhaus, dem wir uns näherten, noch in architektonischer Hinsicht und beeindruckte sie damit offenbar.
    »Ist er Journalist?« Ich hielt es nun für unverfänglich, nachzufragen. Immerhin waren wir schon einige hundert Meter gelaufen.
    »Ich hab mich schon gefragt, wie lange du es aushältst!«, meinte sie trocken.
    »Wieso, wie meinst du denn das?« Ich blieb stehen.
    Sie taxierte mich sanft fragend. »Der hat es dir doch angetan!« Das brachte sie mit ziemlicher Entschiedenheit vor und setzte sich wieder in Bewegung. Ich musste hinterhersprinten.
    »Was für ein Unsinn, ich fand ihn ganz passabel – verglichen mit den anderen Exemplaren deiner Sammlung.«
    Mari ging ungerührt weiter und lachte. »Er ist nicht Journalist! Er ist Zimmermann – er hat einen gut gehenden Handwerksbetrieb.«
    Ich hatte aufgeschlossen und hielt nun Schritt mit ihr und ihren langen Beinen.
    Also war er kein Geiger, wenngleich er doch mit den Händen arbeitete, oder damit umgehen konnte. Was hatte Mari mit diesem falschen Geiger vor? Der lockige Handwerker hatte also eine florierende Werkstatt. Wir gingen ein wenig flotter nebeneinander her.
    Sie sah mich prüfend an. »Ich finde ihn sympathisch! Ich habe ihn vor einem Jahr kennengelernt.«
    »Aha!« Ich wollte mir nun keine weitere Blöße geben und beschloss, nicht weiter nachzubohren.
    An einer Bushaltestelle an der Kochstraße blieben wir stehen, schwiegen und grinsten uns an. Weil wir ohnehin nicht wussten, wohin wir genau wollten, nahmen wir den Bus, der gerade kam. Am Oranienplatz stiegen wir aus und gingen in ein Gartenlokal am Legiendamm, wo um diese Zeit gerade noch zwei Tische frei waren. Ich hatte nicht vor, mir das Heft noch einmal aus der Hand nehmen zu lassen und wollte wegen des als Zimmermann enttarnten Geigers von Mari nicht weiter examiniert werden. Also ging ich nun das eigentliche Anliegen meines Treffens mit ihr an.
    »Sag mal, Mari, wieso bist du eigentlich im Internet nicht zu finden mit deinen Seminaren? Dass deine Adresse nicht auftaucht, kann ich verstehen, das ist ja auch nicht unbedingt selbstverständlich. Aber auch im Zusammenhang mit deinen Seminaren gibt es keinen Eintrag. Wieso nicht?«
    »Weil ich nicht Mari Rosenberg heiße.«
    Das zweite Mal an diesem Tag verschlug es mir die Sprache. Mari saß da – ungerührt – und wartete auf meine weiteren Fragen. Sie war der zurückhaltende Typ, dem es Freude macht, die anderen kommen zu lassen. So gewann sie Sicherheit im Umgang mit neuen Situationen. Ich hatte vor, mir von ihr einiges abzugucken. Doch nicht heute. Aber nicht sofort und zu viel zu sprechen, ist sicherlich ein guter Tipp, den ich beherzigen sollte. Vielleicht wäre ich dann auch irgendwann einmal in der Lage, einem lockigen Zimmermann mit dem schweigenden Lächeln eines Vamps zu begegnen, anstatt vor Schreck zu verstummen und wie eine Dreijährige in einen Rucksack zu kriechen. Bei der Erinnerung daran wurde mir schon wieder flau.
    Als die Studentin in ihrer körperbetonten Klamottage – sie konnte es sich leisten – unsere Bestellung aufgenommen hatte, ließ sich Mari herab, ohne dass ich noch einmal nachgesetzt hatte, mich aufzuklären.
    »Eigentlich heiße ich Helene Marianne Schwartz.

Weitere Kostenlose Bücher