Das Frauenkomplott
Mein Vater hieß Schwartz.«
»Wieso, ist er tot?«
»Nein«, antwortete Mari, »aber für mich ist er gestorben. Deshalb benutze ich den Namen nicht mehr. Wenn ich Menschen neu kennenlerne, nenne ich mich nach meiner Mutter. Rosenberg.«
Mari begann zu erzählen. Sie hätte sozusagen zwei Leben, das offizielle und das private. Als Helene Schwartz machte sie ihr Abitur, ihr Studium und das Gerichtsreferendariat und so musste sie selbstverständlich auch bei der Bank unterschreiben, weil sie nun einmal amtlicherseits Helene Schwartz hieß. Auch ihre Tätigkeit in den Beratungsfirmen lief unter dem offiziellen Namen, denn dafür musste sie Steuern zahlen.
Aber privat war sie Mari Rosenberg.
»Kannst du dir denn diesen Namen nicht auch offiziell zulegen?«
»Warum? Erstens ist das in Deutschland nicht möglich, oder nur sehr schwer. Ich könnte mir höchstens einen Künstlernamen überlegen. Für mich ist die offizielle Bezeichnung meiner Person auch nicht so wichtig, wichtig ist mir meine eigene Entscheidung.«
Sie hatte sich eigentlich – so erzählte sie – schon im Alter von 13, also vor 15 Jahren, dafür entschieden. Da hatten sich ihre Eltern getrennt, oder, wie Mari das ausdrückte, ihr Vater hatte seine Ehefrau gegen ein jüngeres Exemplar ausgetauscht.
»Meine Mutter war schon 39, als ich auf die Welt kam. Meine sechs Brüder sind alle älter, Johannes, der Älteste, ist heute 43.«
Ihre Mutter hockte plötzlich mit 54 ohne Ausbildung in Frankreich. Dorthin hatte es ihren Mann wegen der Karriere verschlagen. Er war Ingenieur und hatte eine Top-Position in Toulouse bekommen, wo er an der Entwicklung von Hochgeschwindigkeitszügen beteiligt war. Er verdiente entschieden mehr, als seine sparsam haushaltende Ehefrau verbrauchen konnte, und gab deshalb viel Geld für Freundinnen aus. Maris Mutter wusste wohl davon, hatte es aber nicht für möglich gehalten, dass ihr tiefkatholischer Ehemann, der ihr sieben Kinder gemacht hatte, sie eines Tages wirklich verlassen könnte.
»Konnte er aber. Mein Vater hat eine junge Assistentin geheiratet, die an der Universität von Toulouse arbeitete, wo er zusätzlich unterrichtete.«
Die Kellnerin kehrte mit unseren Bestellungen und dem Wein zurück, Mari aß als Erste von ihrem Salat. Wenn sie aß, sprach sie nicht. Ich musterte sie und schob meine Salatblätter von einer Seite auf die andere. Sie sah mich ernst an.
»Weißt du, als ich bei einem Streit meiner Eltern hörte, wie mein Vater sagte, Juliette sei so eine intelligente, selbstständige und anregende Frau, da hätte ich ihn töten können.« Da war sie 13. Und da hatte sie sich für alle Zeiten auf die Seite ihrer Mutter geschlagen.
Ihre Mutter hatte sich mit Anfang 20 Hals über Kopf in ihren Vater verliebt und war ihm gefolgt. Einige Jahre später auch nach Frankreich. Sie hatte ihren Gatten vergöttert, alles getan, was er wollte, und ein Kind nach dem anderen bekommen. Sie hatte sich nicht um Emanzipation geschert und hielt die Mahnung der Zeit, Frauen sollten an ihre Selbstständigkeit denken, für Gerede. Sie war genau so katholisch wie ihr Mann, und glaubte aus tiefstem Herzen an die Familie. Sie tat alles für die Kinder, sie kochte und brachte sie in die Schule, sie holte sie wieder ab und fuhr sie zum Reiten oder zum Judo oder zum Musikunterricht. Sie ließ ihre Kinder nicht aus den Augen und die hielten sie den ganzen Tag auf Trab. Sie half ihnen bei den Schularbeiten und schlug sich beim Elternsprechtag mit den Lehrern herum. Sie ging mit dem Hund spazieren, nachdem sie sich von sechs Söhnen und einer Tochter hatte breitschlagen lassen, sich einen zuzulegen, denn sie würden sich um den Hund kümmern. Sie ging auch zu den gesellschaftlichen Damen-Nachmittagen des Unternehmens, wo die Gattinnen der Manager der mittleren bis oberen Etage gegenseitig Rezepte austauschten und ihre Nachmittagskostüme vorführten. Sie tat das alles, weil sie sich entschieden hatte für die Familie. Und sie tat es aus vollem Herzen und mit Liebe.
»Sie war eine unglaublich liebevolle Frau.« Mari machte eine Pause.
»Wann ist denn deine Mutter gestorben?«
»Vor fünf Jahren. Seitdem nenne ich mich Rosenberg.« Mari stiegen die Tränen in die Augen, sie schluckte und trank hastig vom Wein. Ihre Mutter hatte nach der Trennung und Scheidung ohne großen finanziellen Unterhalt wieder in Deutschland gelebt. Ihre Söhne waren aus dem Haus, studierten in Paris und in der Schweiz. Sie nahm nur Mari mit. Die vier Jahre
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