Das Frauenkomplott
ich zugab, dass nicht alle eingingen, sondern nur ich und meine Margerite auf dem Balkon und das auch nicht wegen der Temperaturen, die andere gut gelaunt an Seen und in Badeanstalten lockten, sondern die Margerite, weil ich sie nicht goss und ich wegen meiner Unnachsichtigkeit mir und meinen Kräften gegenüber. Die Margerite überlebte den Sommer gut, weil ich ihr von da an jeden Tag eine kleine Kanne Wasser gab.
Dann erzählte ich Martha Baum von meinem gestrigen Abend und sie ließ mich ungebremst vorpreschen. Es fiel mir gar nicht schwer, meinen Anschlag auf Friedbert zu verschweigen, denn wie sich herausstellte, war das nicht das Entscheidende, was an diesem Tag augenfällig wurde.
»Sie sollten Beate öfter mitnehmen.«
Das war der knappe Vorschlag, den mir Martha nach meinem illustren Bericht unterbreitete. Meine – gemessen an der Kürze des Abends – in die Länge gezogene, theatralisch nachgesprochene Vorstellungsarie bei von Mautzenbach hatte es ihr mal wieder offenbart. Früher wären mir in solchen Situationen, wenn sie mit solch einem kurzen Satz meinen wunden Punkt wie einen Nagel auf den Kopf getroffen hätte, sofort vor Selbstmitleid die Tränen gekommen.
Jetzt konnte ich nur zustimmen und wurde ganz übermütig, drehte mich ein wenig, sodass ich sie ansehen konnte, und sprach: »Warum können Sie sich selbst nicht so sehen, wie Ihre Kollegin Beate Sie Fremden vorstellt? Wie Beate Sie sieht, so sind Sie auch. Sie haben diese Rolle doch hervorragend eingenommen. Akzeptieren Sie, dass auch das ein Teil Ihrer Persönlichkeit ist! Schauen Sie doch einmal mit dem wohlwollenden Blick von Beate auf sich selbst.« Ich drehte mich noch ein wenig zu ihr herum und sah sie triumphierend an.
Martha Baum lächelte mich an. »Guter Text!«
Ich legte mich wieder gerade und starrte an die weiße Decke mit dem trotz Renovierung immer noch sichtbaren Wasserfleck, den ich seit drei Jahren im Blick habe. »Aber ganz kann ich mich noch nicht von Ihnen trennen!«
»Was müssen Sie denn noch erledigen?«
Ich zögerte einen Moment, denn nach dem schönen Einstieg und dem aufbauenden Event wollte ich mich ungern in düstere Geschichten und auf den Lichterfelder Dachboden ziehen lassen. Aber das auffordernde Schweigen von Martha Baum – das ich mir nach drei Jahren nicht mehr leisten wollte, immerhin war das ja hier mein Geld, wenn ich bockte – brachte meinen deprimierenden Ausflug an den Tag.
»Was würde Beate sagen?«
»Wann, wozu?«
»Wenn Sie ihr erzählten, ein Mann, den Sie vor mehr als drei Wochen flüchtig kennengelernt haben, wolle, dass Sie eine Wohnung mit ihm besichtigen!«
Ich schwieg diesmal.
»Was ist mit Ihren ganzen Bedenken, dass diese Besichtigung eigentlich nicht notwendig war?«
Ich schwieg weiter, weil mir das suspekt vorkam. Martha Baum wartete immer noch auf meine Antwort.
»Dass es ein Vorwand ist?«, fragte ich zaghaft.
Martha ließ mir noch ein bisschen Zeit und wartete auf mehr.
»Nein«, wandte ich nach einiger Überlegung ein, »wieso sollte er denn solch einen albernen Vorwand suchen?« Ich bin eigentlich immer geneigt, Martha Baum zu folgen und ihre Angebote anzunehmen, aber das schien mir ein wenig zu weit hergeholt und reine Interpretation.
»Ist denn Ihre Interpretation stimmiger?«
Ich zuckte zusammen. Sie konnte doch wohl nicht Gedanken lesen! Ich drehte mich um, aber sie saß ganz arglos auf ihrem Sessel und schaute mich an.
»Wie meinen Sie das?« Ich war vernagelt und verstand sie überhaupt nicht.
»Ich meine, ob Ihre Interpretation, Ihre Bekannte mit den zwei Männern hätte das arrangiert, stimmiger ist?«
Ich fand, nun verstieg sich Martha Baum aber gewaltig. Wohin wollte sie mich da führen, für mich schoss sie über das Ziel hinaus, und ich wollte mich nicht auf diesen Pfad begeben. »Das lag für mich auf der Hand«, widersetzte ich mich noch einmal störrisch.
Jetzt schnaubte die Therapeutin unmerklich und ich vermutete schon, sie wollte mich nun für heute entlassen.
»Sie sind doch ganz bezaubernd!«, wiederholte sie das Kompliment von Eugen von Mautzenbach. So, wie sie jedes einzelne Wort fallen ließ, ging es mir durch Mark und Bein. Der Satz klang in meinen Knochen nach, und sie ließ mich noch eine Minute in Ruhe liegen und lauschen. Dann legte sie ihr Heft und den Bleistift auf den kleinen Beistelltisch. Der Sessel knarrte ein wenig, Zeichen, dass die Zeit um war. Ich schwang meine Beine mit einem tiefen Seufzer auf die Erde.
Wir
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