Das Frauenkomplott
verhalten. Auch er hat seine Frau missbraucht, ausgenutzt und – das ist vielleicht das, was die beiden mir so ähnlich erscheinen lässt – er hat überhaupt kein Unrechtsbewusstsein, es ist alles in Ordnung, findet er. Ich bin interessiert, wie die Wahrnehmung solch eines Menschen funktioniert.«
Ich betrachtete sie, diese schöne Mari, die eine so lange Rede geführt hatte. Sie stand da in der untergehenden Sonne, die – ja, Tante Hedwig hätte das sagen können – auf ihre braunseidenen Haare einen goldenen Glanz legte und dieses makellose Gesicht in ein sanftes Licht tauchte. Sie blieb ernst und setzte sich wieder in Bewegung, denn ich hatte ihr nicht geantwortet. Ich heftete mich an ihre Fersen und wir gingen schweigend auf das Brunnenbecken zu.
»Und wohin soll das führen?« Ich zupfte sie am Seidenärmel. Wir waren schon wieder in der Nähe der Tische und der Kellner, die unablässig durch den Garten schwirrten. Jerôme hatte sich mit Prof. Marin neben einen Giacometti gestellt und fachsimpelte. Rechts stand ein Kollege, der viel für die Villa Griesebach arbeitete und mit dem ich häufiger zu tun gehabt hatte, und winkte mir zu. Rudolf Schmerbusch, den wir in der Obhut von Beate zurückgelassen hatten, winkte ebenfalls und schien Anstalten zu machen, seine Mari abzuholen.
»Ich weiß nicht, wohin das führen soll. Vielleicht hast du ja eine Idee. Du bist doch – was Hansen angeht – ganz kreativ!« Sie nickte mich aufmunternd an und ging nun etwas rascher voran.
Ich schoss hinterher. »Was … ich … wie soll ich das denn verstehen?«
Aber Mari schien mich mit dem Haken, den sie ausgeworfen hatte, allein lassen zu wollen und antwortete nicht mehr. Vielleicht hatte sie ja auch gar keinen anderen Gedanken gehegt, als eine Art Psycho-Vivisektion an einem unangenehmen Menschen durchzuführen, der sie entfernt an ihren Vater erinnerte. Ich hatte aber kein Interesse an einem Untersuchungsobjekt Friedbert Hansen. Das Einzige, was mich an Friedbert reizte – im wahrsten Sinne des Wortes – war das Geld, auf dem er unberechtigterweise hockte.
»Meinst du meinen Adressenhandel?«, rief ich Mari hinterher. Sie drehte sich zu mir um, schob ihre Unterlippe erneut leicht vor, lächelte wie immer und zuckte die Schulter … aber wir konnten das Thema nicht weiter erörtern. Denn Rudolf Schmerbusch ging uns die letzten zehn Meter entgegen, nahm Mari wieder in Besitz und schwärmte von den Fasanenbrüstchen auf blauem Kartoffelbrei. Leider hätten wir die grüne Salat-Gazpacho mit Crevetten-Haube verpasst. Schmerbusch war geradezu enthusiasmiert von Windhoffs Sternen und Maris Rückkehr. Er hatte sich bereits kundig gemacht, und in der Gewissheit, dass weitere kulinarische Preziosen in der Küche gerichtet wurden, strahlte er vor Begeisterung.
Während der Besichtigung, die Eugen von Mautzenbach tatsächlich persönlich für mich durchführte, musste ich mich zusammenreißen, denn das Gespräch mit Mari hielt mich völlig gefangen. Nun wollte ich mir allerdings diese Gelegenheit nicht entgehen lassen und ließ die beiden allein. Beate war auf der Terrasse im Gespräch mit zwei Galeristen aus Mitte, die sie kannte, weil sie mit ihnen studiert hatte. Sie wollte mit Sicherheit Mautzenbach junior abpassen, wenn er eine Pianopause machen würde – für ihre Adelssammlung.
Ich fand Mautzenbach in den unteren Räumen, er sprach mit einem Galeristen, der zwei der noch unbekannten neuen Maler vertrat, die er sich zugelegt hatte. Der gesamte große Raum neben dem zentralen Salon war diesen jungen Künstlern vorbehalten. Nicht schlecht – die neuen Emporstrebenden neben der Avantgarde von gestern.
Eigentlich wollte ich mich zurückziehen, als von Mautzenbach mich entdeckte.
»Frau Dr. Brauer, einen Moment. Ich stehe sofort zu Ihrer Verfügung.« Dann erlaubte er sich noch, mich dem skeptisch und misstrauisch schauenden Herrn vorzustellen, der scheinbar gegen seinen Willen versuchte, mich freundlich anzulächeln, dabei seine Kiefer einhängte und für kurze Zeit tiefgefror. Ich hatte nicht vor, ihm in seine Geschäfte zu funken, aber das konnte er nicht wissen, und die Haifische sind immer wachsam und schlafen angeblich nicht. Von Mautzenbach verbeugte sich vor dem verbissen grimassierenden Galeristen und bat ihn um Entschuldigung, dass er sich der »bezaubernden Frau Dr. Brauer« widmen wolle. Das sagte tatsächlich er – nicht Tante Hedwig.
Zum zweiten Mal an diesem Abend benommen von der Ehre, die mir hier
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